Welt-Parkinson-Tag
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Welt-Parkinson-Tag

Verstummte Zellkommunikation

Parkinson ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach Alzheimer. Der springende Punkt bei der Erkrankung ist das Dopamin: Bei Parkinson-Betroffenen ist dieser Neurotransmitter, der dafür sorgt, dass die Nervenzellen miteinander kommunizieren,von einem rasanten Abbau betroffen. Obwohl die Krankheit schon seit über 200 Jahren beschrieben wird, gibt es noch keine Heilung, allerdings effiziente Wege, den Verlauf zu drosseln. Auch die Früherkennung wird immer genauer. Der 11. April ist seit 1997 Welt-Parkinson-Tag.

Eva Kaiserseder

Von „unwillkürlichen, zitternden Bewegungen, verbunden mit verminderter Muskelkraft und zeitweise selbst mit Unterstützung völlig unbeweglich“ sprach der englische Arzt und Chirurg James Parkinson (1755-1824) vor über 200 Jahren. Auch eine „Neigung zu vornübergebeugter Körperhaltung und zum Übergang von einer laufenden in eine vorwärts rennende Bewegung“ fiel ihm bei dieser Krankheit auf, dabei blieben der Intellekt und die Sinne aber unbeeinflusst. „Shaking palsy“, also Schüttellähmung, nannte er diese Krankheit in seinem Essay aus 1817. Bis dahin hatten derartige Symptome nur marginal Beachtung unter Ärzten gefunden. Rund 60 Jahre nach Parkinsons Tod verwendete der französische Neurologe Jean-Marie Charcot erstmals den Begriff der „Maladie de Parkinson“. Er sich bis heute gehalten und schlußendlich gegenüber dem Begriff „Schüttellähmung“ durchgesetzt.

Warum manche Menschen Parkinson bekommen und andere nicht, scheint nach wie vor ein Rätsel zu sein, wiewohl eine genetische Prädisposition, Umweltfaktoren und der Lebensstil als Faktoren sehr wahrscheinlich sind. „Es gibt einen Berg an Risikofaktoren, den man mehr und mehr versteht", so Werner Poewe, ehemaliger Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie an der Medizinischen Universität Innsbruck und Studienleiter, vergangene Woche im Rahmen einer Pressekonferenz dazu. Chronischer Stress etwa könne die Neurodegeneration verstärken, wie rezente Studien vermuten lassen, so der Neurologe Willi Gerschlager in der „Österreichischen Ärztezeitung“ dazu.

Die eigentlich Ursache des idiopathische Parkinson-Syndroms ist „durch eine progrediente Degeneration dopaminerger Neurone in der Substantia nigra charakterisiert. Neuropathologisch ist es durch das Auftreten von Lewy-Körperchen – neuronale aggregierte Proteinablagerungen, die aus Alpha-Synuclein bestehen –gekennzeichnet.“ so Gerschlagers Definition.

Heisst, der rasante Abbau der Substantia nigra, eines Teils des Mittelhirns, ist ursächlich für die Entstehung von Parkinson verantwortlich. Typische Parkinson-Symptome wie Ruhetremor oder verlangsamte Bewegungen zeigen sich dann, wenn rund 60 Prozent dieser Hirnsubstanz verschwunden sind. Was die Rolle der Substantia nigra ist, ist schnell erklärt, Stichwort Nervenzellkommunikation: Die Nigra-Zellen setzen im Corpus striatum im Großhirn Dopamin frei, einen Neurotransmitter. Er sorgt für die Signalübertragung bei den Nervenzellen. Bei Parkinson-Kranken ist die Substantia nigra also im Verschwinden begriffen. Dopamin ist allerdings essentiell unter anderem für die Regulierung der Muskeln im Zusammenspiel von An- und Entspannung.

Schlafmedizin als wichtiger Partner

Parkinson kündigt sich allerdings schon viel früher an, nämlich mit Symptomen wie Geruchs- und Schlafstörungen oder chronischer Verstopfung, und das häufig bei Menschen um die 50. Mit den bereits etablierten Behandlungsmethoden könne für etwa 15 Jahre eine hohe Lebensqualität erhalten werden, so Poewe. Sollte also mit 65 Jahren Parkinson erkannt werden, habe man bis 80 gute Chancen auf ein recht normales Leben, mit der entsprechend konkreten Früherkennung sogar noch länger, so das Forscherteam der Innsbrucker Universitätsklinik.

Zudem gibt es interessante Erkenntnisse aus der Schlafmedizin, wie Birgit Högl, ebenfalls an der Medizinischen Universität Innsbruck tätige Professorin für Neurologie mit Schwerpunkt Schlafmedizin, im medinlive-Interview erklärt: „Im Schlaflabor können wir die aktive Muskelhemmung überprüfen, und zwar unter anderem via Oberflächenmuskelableitungen vom Kinn und den Beinen und Armen, was besonders bei der RBD (REM-sleep Behaviour Disorder) empfohlen wird. Beim Gesunden zeigt sich hier in der Regel keine Atonie außer ein paar kleinen Twitches (Zuckungen, Anm. d. Red.), bei der RBD besteht aber sehr viel Muskelaktivität. (...)Das ist nicht nur eine Erkrankung, die unangenehm ist, weil man seinen Partner oder seine Partnerin verletzen kann oder aus dem Bett stürzt, sondern sie hat eine besondere Bedeutung hinsichtlich der Prognose neurodegenerativer Erkrankungen.“ RBD können nämlich langfristig ein Indiz dafür sein, dass sich eben Parkinson oder eine Lewy-Körper-Demenz entwickelt. So unangenehm und bedrückend eine solche Prognose ist: Mit einer möglichst frühen Diagnose und noch vorhandenen dopaminergen Zellen kann ein Ausbruch der Krankheit wenn schon nicht völlig verhindert, dann zumindest deutlich ausbremst werden, so die Neurologin.

Gesund altern   (Studie der Universitätsklinik für Neurologie Innsbruck zur Früherkennung von Alterserkrankungen des Gehirns)

James Parkinson „An essay on the shaking palsy“

 

 

James Parkinson Signature
James Parkinsons Unterschrift. Fotografien von ihm gibt es nicht, wiewohl es ein oft fälschlicherweise ihm zugeordnetes Bild eines Mannes mit Backenbart gibt. Der Grund: Die ersten Fotografien stammen aus der Zeit nach Parkinsons Tod. Er starb 1824.
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„Es gibt einen Berg an Risikofaktoren, den man mehr und mehr versteht". Werner Poewe, ehemaliger Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie an der Medizinischen Universität Innsbruck
„RBD (REM-sleep Behaviour Disorder, Anm. d. Red.) können (...) langfristig ein Indiz dafür sein, dass sich eben Parkinson oder eine Lewy-Körper-Demenz entwickelt." Birgit Högl, Professorin für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck
 
© medinlive | 20.04.2024 | Link: https://www.medinlive.at/wissenschaft/verstummte-zellkommunikation