Wie Algen zum Klima-Hoffnungsträger und Flugbenzin werden könnten
Algen und Seetang kennen wir als glibberigen Schleim, der beim Strandurlaub stört. Beliebter sind sie im japanischen Sushi. Aber neue Forschungsergebnisse, die im Fachblatt „Nature Sustainability“ veröffentlicht wurden, zeigen die wichtige Rolle, die Algen bei der Klimarettung, als Lebensmittel und sogar als grüner Treibstoff spielen. „Eines Tages könnten wir damit fliegen“, so der Studienleiter Scott Spillias zur APA.
Algen haben nicht das beste Image im Westen. Sie sehen nicht besonders appetitlich aus, riechen nicht besonders gut und fühlen sich glitschig an, wenn sie nass sind. Aber es ist schon längst kein Geheimnis mehr, dass in der Meerespflanze viele Möglichkeiten stecken. Bisher wird Ethanol für den Biosprit meistens aus Mais gewonnen, aber es kann genauso gut aus Algen gewonnen werden, für die keine Anbauflächen an Land notwendig sind, die angesichts der steigenden Weltbevölkerung knapp werden. Das macht sie zu einer fruchtbaren, alternativen Energiequelle für die Wissenschaft.
„Eines Tages könnten wir in einem Flugzeug über einen Ozean fliegen, das mit aus Meeresalgen gewonnenem Düsentreibstoff angetrieben wird“, sagt der an der University of Queensland (Australien) und am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien tätige Spillas im Gespräch mit der APA: „Es gibt eine Menge Forschung, die sich sehr genau damit beschäftigt. Das hat riesiges Potenzial.“
Spillias arbeitete mit Forschern der University of Queensland, dem IIASA, der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) und der University of Tasmania (Austrialien), seit dem Sommer 2021 zusammen, um zu untersuchen, ob Algen eine nachhaltige Alternative zur Landwirtschaft bieten, um dem wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln und Ressourcen gerecht zu werden. Die Antwort ist ein klares „Ja“.
„Potenzial als nahrhaftes Lebensmittel“
In einer Presseaussendung des IIASA erklärt Spillias: „Algen haben ein großes kommerzielles und ökologisches Potenzial als nahrhaftes Lebensmittel und als Baustein für kommerzielle Produkte wie Tierfutter, Kunststoffe, Fasern, Diesel und Ethanol.“ Algen können das Klima positiv verändern und wirken dem Treibhauseffekt zum Teil entgegen. „Unsere Studie ergab, dass die Ausweitung der Algenzucht dazu beitragen könnte, die Nachfrage nach Feldfrüchten zu verringern und die globalen landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen um bis zu 2,6 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr zu reduzieren.“
Algen gelten auch als sogenanntes „Lebensmittel der Zukunft“. Sie konkurrieren im Anbau nicht mit den Nutzflächen an Land und gelten als reich an Nährstoffen. „In einem Szenario, in dem wir zehn Prozent der menschlichen Ernährung weltweit durch Algenprodukte ersetzen, könnte die Erschließung von 110 Millionen Hektar Land für die Landwirtschaft verhindert werden“, heißt es in der Studie.
Vor allem in Ostasien kommen traditionell viele Algen auf den Tisch. Als Zutat für japanisches Sushi sind sie auch im Westen beliebt, aber ist es wirklich denkbar, dass wir in Zukunft mehr Algen essen? „Ich betrachte das gerne so, dass ich an alte Versionen alltäglicher Nutzpflanzen denke - wie Mais und Weizen, die wenig inspirierende, unkrautartige Dinger waren“, erklärte Spillias: „Durch Tausende von Jahren der Züchtung haben wir die Grundnahrungsmittel entwickelt, die moderne Gesellschaften stützen, und Algen könnten in Zukunft sehr wohl ein ähnliches Potenzial haben.“ Kleine Komponenten von Algen sind in vielen Lebensmitteln, die wir zu uns nehmen, schon drinnen - als Verdickungsmittel. „Pudding ist ein gutes Beispiel“, so der Forscher: „Alles, was irgendwie klebrig und dick ist.“
Essen und Futter für Mensch und Tier
„Sicherlich könnten auch die Österreicher mehr Algen essen“, meint Spillias. Vom globalen Ausbau der Meeresalgenzüchtung würde man auch hierzulande profitieren. „In Österreich gibt es viel Vieh, das man damit füttern könnte“, so der Forscher. Außerdem braucht man ja schließlich auch hierzulande Treibstoff, Kunststoff und Lebensmittel. Wenn es eine Nachfrage nach diesen Produkten gibt, dann wird es auch mehr Investitionen in diese Art von internationalen Entwicklungen geben. Davon ist der Wissenschafter überzeugt.
Spillias betonte gegenüber der APA dann auch die „vielen Barrieren“, die es noch gibt: „Es besteht zum Beispiel große Unsicherheit darüber, was die tatsächlichen Auswirkungen auf die Ozean sein würden. Und niemand hat bisher wirklich herausgefunden, wie man Algen in größerem Maßstab bewirtschaftet. Es hat Riesenpotenzial, aber meine Hoffnung ist, dass wir diese Industrie zumindest im Westen, wo sie ziemlich neu ist, in einer Weise entwickeln werden, die nachhaltig und wirklich positiv ist, nicht nur für die Menschen, sondern auch für den Planeten.“