Drogenmonitoring 2022: Cannabis und Kokain dominieren
Seit heute liegen europaweit die Ergebnisse des jährlichen, abwasserbasierten Drogenmonitorings vor, das im Rahmen des europäischen Netzwerks SCORE durchgeführt wird. Die Analyse für Österreich liefert seit 2016 das forensisch-toxikologische Labor am Institut für Gerichtliche Medizin (GMI) der Medizin Uni Innsbruck. „Mit der schrittweisen Lockerung der Corona-Maßnahmen 2022 hat auch der Konsum von Alkohol und Drogen in der Bevölkerung wieder zugenommen“, kommentiert Laborleiter Herbert Oberacher die Ergebnisse für 2022.
Dass die Abwässer aus Kläranlagen wichtige Informationen für die Überwachung der öffentlichen Gesundheit bereithalten, weiß man spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie. Um Vergleichswerte und Trends des Drogenkonsums über Ländergrenzen hinweg feststellen zu können, wird das abwasserbasierte Drogenmonitoring in europäischen Städten aber schon seit Jahren erfolgreich eingesetzt.
Im Jahr 2022 wurden europaweit die Abwässer von insgesamt 110 Städten und Regionen untersucht, darunter 17 Kläranlagen in Österreich, inkl. einer Südtiroler Kläranlage (insges. rund 200 Gemeinden). Einzig das Burgenland ist in der Österreich-Analyse nicht vertreten. "Damit liefert Österreich fünfzehn Prozent aller europäischen Datensätze. Neu für 2022 ist, dass erstmals Daten aus Wien, Salzburg und Oberösterreich in die Analyse eingeflossen sind. Insgesamt hat sich die Zahl der Kläranlagen, die Proben an unser Labor geliefert haben, im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt, womit sich die Aussagekraft des Lagebilds zusätzlich erhöht", berichtet Chemiker Herbert Oberacher über eine erfreuliche Steigerung.
Die Untersuchung lässt Rückschlüsse auf den Drogenkonsum von 3,5 Million Menschen in Österreich und Südtirol zu. Für die jährliche SCORE-Studie wurden im Frühjahr 2022 über einen Zeitraum von einer Woche täglich Proben vom Zufluss der Kläranlagen entnommen.
Analysiert wurden die Konsummarker (Drogen bzw. deren Stoffwechselprodukte) der Suchtgifte Tetrahydrocannabinol (THC, Wirkstoff in Cannabis), Kokain, Amphetamin (Wirkstoff in Speed), 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA, Wirkstoff in Ecstasy) und Methamphetamin (Wirkstoff in Crystal Meth), sowie Alkohol und Nikotin. Die Ergebnisse der chemischen Analysen werden von der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) in Lissabon für den europäischen Drogenbericht verwertet und jährlich veröffentlicht.
Österreich bleibt im europäischen Mittelfeld
„Eine Einwohnerin bzw. ein Einwohner aus einer der 17 untersuchten Regionen trinkt im Schnitt täglich ein Glas Wein, raucht vier Zigaretten und konsumiert 0,07 Joints sowie rund ein Milligramm an aufputschenden Drogen“, veranschaulicht Studienleiter Herbert Oberacher die Ergebnisse für Österreich. Damit rangiert keine einzige der in Österreich und Südtirol überwachten Regionen in einer aus den Ergebnissen der SCORE Studie abgeleiteten Rangliste unter den zehn umsatzstärksten Regionen.
Die Ergebnisse im Detail
Die Möglichkeit des Vergleichs unterschiedlicher Regionen ist eine besondere Stärke des abwasserbasierten Drogenmonitorings. So ergab die Analyse, dass der Pro-Kopf-Konsum an Alkohol und Nikotin innerhalb Österreichs relativ einheitlich ist. Bei den verbotenen Drogen bietet sich ein weniger homogenes Bild: In fast allen Regionen war Cannabis die dominierende Droge, wobei der THC-Konsum im urbanen Raum höher ist, als in ländlichen Gegenden. Unter den Stimulanzien ist Kokain die umsatzstärkste Droge. In Westösterreich und Südtirol wird Kokain pro Kopf in größeren Mengen konsumiert, als in Ostösterreich; den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Kokain verzeichnete Kufstein. Die größten Pro-Kopf-Konsummengen der Wirkstoffe Amphetamin (Speed) und Metamphetamin (Crystal Meth) ließen sich in Ostösterreich, speziell in Wien bzw. Wiener Neustadt, beobachten. Diese West-Ost-Verteilung von Stimulanzien und synthetischen Drogen ist nicht auf Österreich beschränkt, sondern spiegelt sich in Europa wider.
In Südtirol scheint der Pro-Kopf-Konsum dieser Genuss- und Suchtmittel niedriger als in Österreich zu sein. Ein Vergleich von Süd- und Nordtirol lässt sich anhand der Daten aus den Landeshauptstädten anstellen: In Bozen war der Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol, Nikotin, Cannabis, Amphetamin und MDMA geringer als in Innsbruck, jener von Kokain vergleichbar.
Für acht untersuchte Regionen lassen sich im Vergleich mit den Ergebnissen der Jahre 2019 bis 2021 Informationen über Änderungen im Konsumverhalten ermitteln. „Im Vergleich zu 2021 waren Steigerungen beim Konsum von Alkohol, Kokain, MDMA und Methamphetamin zu beobachten, die zum Teil auch auf das Auslaufen von behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie zurückzuführen sind“, betont Oberacher.
Entscheidend für Maßnahmen
Die im Rahmen des SCORE Netzwerks über den Drogenmarkt erhobenen Daten liefern den Behörden und den politisch Verantwortlichen Entscheidungshilfen, um geeignete Maßnahmen für eine nachhaltige Drogenpolitik ausarbeiten und umsetzen zu können. „Die Abwasserepidemiologie hat in den letzten Jahren enorm an Akzeptanz gewonnen. Die jährlichen Steigerungen an gemonitorten Regionen und hier insbesondere das Hinzukommen von zuletzt Wien, Graz, Salzburg und Klagenfurt macht deutlich, welchen Stellenwert die Methode mittlerweile bei den Gesundheitsbehörden einnimmt“, freut sich Oberacher.