Wiener Forscher verfolgen Zucker im Körper ohne radioaktive Substanz
Will man den Zuckerstoffwechsel mit bildgebenden Verfahren im Körper in Echtzeit nachverfolgen, braucht es in der Regel mit schwach radioaktivem Fluor markierte Glukose. Wiener Forscher können nun mit einer vielversprechenden Alternative aufwarten, für die lediglich das Trinken einer mit „schwerem Wasserstoff“ (Deuterium) versetzten süßen Kräuterlimonade ausreicht.
Das Team berichtet darüber in den Fachblättern „Investigative Radiology“ und „Nature Biomedical Engineering“. An der Verbesserung von Verfahren, mit denen in den Körper geschaut werden kann, beschäftigen sich Wolfgang Bogner von der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien und Kollegen u.a. im Rahmen eines mit rund 2,5 Mio. Euro dotierten „Consolidator Grant“ des Europäischen Forschungsrates (ERC). Dieser wurde dem Physiker Anfang des Jahres zuerkannt.
Damit sollen die bisherigen Diagnosemethoden verbessert werden. Den Zuckerstoffwechsel nachzuvollziehen ist etwa wichtig, wenn es um das Aufspüren von Krebszellen geht, die in der Regel deutlich mehr Glukose verbrauchen als gesunde Körperzellen.
Bei der Standardmethode, der Positronenemissionstomographie (PET), wird Patient:innen eine schwach radioaktive Zuckerlösung injiziert. Diese Lösungen müssen aber in einem Teilchenbeschleuniger hergestellt und dann unter Sicherheitsauflagen sehr rasch verabreicht werden, erklärte Bogner im Gespräch mit der APA. Dann kann mittels PET-Scan die Verteilung des sogenannten „Tracers“ abgebildet und klinische oder wissenschaftliche Schlüsse daraus gezogen werden. Aufgrund des hohen Aufwandes ist der Bedarf an einfacheren Herangehensweisen groß.
„Wir ersetzen quasi Protonen im Zucker mit Deuterium. Das ist nicht radioaktiv und ändert praktisch nichts am Stoffwechsel, was auch wichtig ist. Es wird dann ganz normal im Körper verstoffwechselt", so Bogner. „Deuterierter Zucker“ könne einfacher hergestellt und jahrelang verwendet werden. Ein weiterer entscheidender Vorteil: Die Verteilung des derart markierten Zuckers kann auch in deutlich häufigeren und leichter einzusetzenden Magnetresonanztomographen (MRT) nachverfolgt werden.
Unterschiede zwischen „Deuterium-Imaging"- und PET-Methode herausarbeiten
Dass diese neue Methode auch mit MRT-Geräten funktioniert, die mit verschieden starken Magnetfeldern operieren, konnte das Wiener Team nun in seinen Publikationen zeigen. Dazu braucht es keine Veränderungen bei der Hardware, erklärte Bogner. Das bringe letztlich große Vorteile für den breiteren Zugang zu solchen Untersuchungen.
Gezeigt haben die Forscher in einem ersten Schritt, wie die Verarbeitung von Zucker im Gehirn nachvollzogen werden kann. Die Versuchspersonen tranken die Zuckerlösung, und über 90 Minuten hinweg wurden dann MRT-Aufnahmen des Gehirns gemacht. So konnte man zeigen, dass der Ansatz gut funktioniert.
Prinzipiell könne man auch andere Stoffe mit Deuterium markieren und ihren Abbau nachvollziehen. Das wird in PET-Scans mit anderen Hinweisgebern auf Tumore schon gemacht. Jetzt müsse man genau analysieren, wo die Unterschiede zwischen der neuen „Deuterium-Imaging"- und der PET-Methode liegen. „Man kann sicher nicht alles mit unserer Methode ersetzen", so Bogner. Zwar könne man mit PET kleinere Mengen aufspüren, aufgrund der radioaktiven Tracer lassen sich aber auch nur kleine Mengen verabreichen.
Den Wiener Ansatz, bei dem größere Mengen des markierten Zuckers eingesetzt werden, gelte es in den kommenden Jahren auch so weiterzuentwickeln, dass man damit den kompletten Körper abbilden kann. So ließe sich dann nachvollziehen, wo sich bei einem Patient:innen möglicherweise schon Metastasen gebildet haben. Das Ausweiten im Rahmen des ERC-Grants sei jedoch „keine triviale Sache", betonte Bogner.