Bewertungsplattformen: Zwischen Businessmodell und neutralem Tool
Plattformen wie Jameda in Deutschland oder hierzulande Docfinder befinden sich in einer prekären Balance. Einerseits sollen diese Websites, auf denen man Mediziner bewerten kann, als objektives Tool für Patienten fungieren. Andererseits gibt es bezahlte Premiumprofile für Ärzte, die alles andere als neutral wirken. Auch Schmähkritiken sind ein großes Thema in der Ärzteschaft und wie man damit umgehen soll. medinlive hat nachgefragt.
Thomas Repka ist Jurist in der Hamburger Wirtschaftskanzlei Rose&Partner, dort hat er sich u.a. auf die Bereiche IT-Recht und Datenschutzrecht spezialisiert.
medinlive: Ein Gericht in Bonn hat die Ärztebewertungsplattform Jameda kürzlich dazu verurteilt, alle Daten eines Arztes zu löschen, der die Löschung seiner personenbezogenen Daten eingeklagt hatte. Ist das der erste derartige Fall in Deutschland, der so entschieden wurde?
Repka: Es handelt sich bei der Entscheidung des LG Bonn zur ersten bekanntgewordenen Entscheidung unter Geltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Zum alten Datenschutzrecht hat bereits der Bundesgerichtshof (BGH) im Dezember 2018 (Az: VI ZR 30/17) ähnlich entschieden. Nach Einschätzung der Richter besteht ein Löschungsanspruch immer dann, wenn Jameda oder ähnliche Plattformen ihre Position als „neutraler Informationsvermittler“ verlässt. Dieser Ansicht sind jetzt auch die Bonner Richter unter Anwendung der DSGVO gefolgt.
medinlive: Wurde in Deutschland schon öfters eine derartige Löschung, also des gesamten Profils, seitens der Ärzte versucht? Wie steht die Ärzteschaft Jameda und ähnlichen Portalen gegenüber?
Repka: Derartige Löschungsverlangen von ganzen Profilen kommen seltener vor als Löschungsverlangen wegen einzelner Bewertungen. Nach meiner Erfahrung ist sich die Ärzteschaft uneins: Plattformen wie Jameda sind Fluch und Segen zugleich. Zum einen werden Bewertungen als positiv wahrgenommen, da man sich mit guten Bewertungen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Andererseits werden Ärzte durch die Bewertungsmöglichkeit sowohl von der Öffentlichkeit als auch teilweise von Patienten unter Druck gesetzt.
medinlive: Was hat sich durch die DSGVO diesbezüglich geändert?
Repka: Die Situation hat sich – in Deutschland – durch Einführung der DSGVO nicht geändert. Auch unter dem alten Datenschutzrecht gab es einen Löschungsanspruch, wenn die Plattform kein „neutraler Informationsvermittler“ ist. Die gleichen Maßstäbe gelten nun auch unter der DSGVO.
medinlive: Sind Bewertungsplattformen und ihre standardisierte Form der subjektiven Patientenbewertung grundsätzlich erlaubt oder begibt man sich hier in einen rechtlichen Graubereich?
Repka: Bewertungsplattformen wie Jameda sind grundsätzlich erlaubt, solange hier nur allgemein zugängliche Daten von Ärzten veröffentlicht werden. Problematisch wird es, wenn das Geschäftsmodell der Plattform darauf aufgebaut ist, kostenpflichtige Services wie Premium-Profile verkaufen zu wollen und Ärzte damit unter Druck gesetzt werden. Sind solche kostenpflichtige Premium-Profile ansprechender gestaltet, nehmen Patienten diese anders war als Basis-Profile. Mit diesem Schritt verlässt die Plattform ihre neutrale Rolle und verfolgt mit der Datenverarbeitung andere Zwecke – nämlich eigene kommerzielle. Für diese Datenverarbeitung gibt es aber - sofern keine ausdrückliche Einwilligung des Arztes vorliegt - keine Rechtsgrundlage, sodass ein Löschungsanspruch besteht.
medinlive: Wie positioniert sich Jameda als Unternehmen, um dem zu entsprechen und wo entspricht sie unter Umständen nicht?
Repka: Ob die Plattform datenschutzrechtlich rechtmäßig ist, hängt ganz maßgeblich von der Ausgestaltung ab. Bekommen Ärzte mit Premium-Profilen aber erhebliche Vorteile, kann sich Jameda aus meiner Sicht nicht mehr auf eine neutrale Rolle zurückziehen.
medinlive: Und wie weit dürfen negative Bewertungen gehen? Wie kann ich als Ärztin oder Arzt dagegen angehen? Kann ich einzelne negative Bewertungen unter bestimmten Umständen löschen lassen?
Repka: Bei Bewertungen muss unterschieden werden zwischen subjektiven Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen. Tatsachenbehauptungen sind in aller Regel zulässig, solange sie wahr sind. Gegen Lügen und Unwahrheiten kann man sich als Arzt also wehren. Meinungsäußerungen und Kritik sind in sehr weitem Umfang zulässig, auch wenn diese ärgerlich oder unangenehm sind. Aber auch hier gibt es eine Grenze: Beleidigungen, Schmähkritik oder gar Rufmord müssen nicht hingenommen werden. Plattformen wie Jameda müssen diese dann löschen, wenn sie auf einen solchen Fall hingewiesen werden. Ebenfalls unzulässig sind Bewertungen von Personen, die gar keine Patienten sind oder waren. Auch hier kann ein Löschungsanspruch geltend gemacht werden.
Weitere Infos
Einen Artikel rund um die aktuelle Rechtslage speziell in Östereich finden Sie in der aktuellen Ausgabe 10/2019 von Doktor in Wien.