Weltkinderrechtetag
Weltkinderrechtetag

Kritik und Appelle an Regierung

Das Problem der Kinderarmut stand im Fokus der Forderungen von Interessensvertretern und Oppositionspolitikern. Kritik und Sorge wurde angesichts der geplanten „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe geäußert.

ct/Agenturen

Anlässlich des Internationalen Tags der Kinderrechte haben sich Interessensvertreter und Oppositionspolitiker mit Kritik und Appellen an die Regierung gewandt. So wies die Armutskonferenz auf finanziell benachteiligte Kinder und die daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf deren Zukunftschancen, Bildung und Gesundheit hin.

81.334 Kinder leben in Familien mit Mindestsicherung, das sind 35 Prozent aller Bezieher. „Kinder und Jugendliche, die in Haushalten mit niedrigem Einkommen aufwachsen, haben Nachteile, die in mehreren Bereichen sichtbar werden. Die Gefahr des sozialen Ausschlusses zeigt sich in den geringeren Möglichkeiten, Freunde einzuladen, Feste zu feiern und an kostenpflichtigen Schulaktivitäten teilzunehmen“, erläutert Sozialexperte Martin Schenk von der Armutskonferenz.

Kritik an verschärfter Mindestsicherung

Mindestsicherungs-Bezieher mit Kindern leben noch häufiger in schlechten Wohnverhältnissen. „Desolates Wohnen wirkt sich besonders hemmend auf Bildungschancen und die Gesundheit der Kinder aus“, so Schenk. Die von ÖVP und FPÖ geplanten Kürzungen für Familien mit Kindern würden diesen Menschen die Existenzgrundlage entziehen und damit die Zukunftsperspektiven der Kinder ernstlich in Gefahr bringen, warnt die Armutskonferenz.

Auch die Bundesjugendvertretung lenkte den Fokus auf das Problem der Kinderarmut. „Obwohl Österreich die UN-Kinderrechtskonvention bereits im Jahr 1992 ratifiziert hat und zu den reichsten Ländern der Welt zählt, bekommen mehr als 300.000 Kinder Armut in unterschiedlichen Bereichen zu spüren, sei es bei Bildung, Wohnen, Gesundheit, Kleidung, Essen oder im Sozialleben“, kritisierte BJV-Vorsitzende Caroline Pavitsit.

SPÖ-Kinder- und Jugendsprecherin Eva-Maria Holzleitner warf der Regierung vor, nichts gegen Kinderarmut zu unternehmen. Maßnahmen, wie die geplanten Verschärfungen in der Mindestsicherung, „zementieren Kinderarmut, Kinder und Jugendliche sind einmal mehr von Ausgrenzung und Stigmatisierung bedroht“.

Recht auf Chancengleichheit betont

Auch Daniela Holzinger, Familiensprecherin von „Jetzt“ (ehemals Liste Pilz), ortete noch viel Handlungsbedarf im Kampf gegen Kinderarmut. Sie plädierte für die Entwicklung eines nationalen Aktionsplans zur Bekämpfung von Kinderarmut, welcher konkrete Maßnahmen zur Beseitigung materieller Deprivation bei Kindern umfasst.

Die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, Juliane Bogner-Strauß, betonte indes das Recht auf gewaltfreie Erziehung: „In Österreich wurde das Prinzip der gewaltfreien Erziehung bereits vor 30 Jahren eingeführt“, sagte Bogner-Strauß in einer Aussendung. „Gewalt hat in der Familie absolut nichts verloren.“

Sorge wegen „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien zeigte sich besorgt über die geplante „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe. Diese berge die Gefahr, dass sich bereits bestehende Unterschiede in den Angeboten für Kinder und Jugendliche aufgrund unterschiedlicher personeller und finanzieller Ressourcen sowie gesetzlicher Regelungen verstärken. Die Folge wäre Rechtsunsicherheit sowie massive Abstriche im Bereich des Kinderschutzes.

Auch der Dachverband der Jugendhilfeeinrichtungen warnte vor den Folgen des geplanten Kompetenzbereinungsgesetzes. Die Regierung plane „mit der völligen Verantwortungs-Abgabe der Kinder- und Jugendhilfe an die Bundesländer einen massiven Rückschritt in Bezug auf österreichweite Kinderrechte“, warnte der Dachverband in einer Aussendung am Montag.

Auch die Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga) zeigte sich besorgt über die Politik der Bundesregierung im Sozial-und Bildungsbereich und sah darin „einen klaren Verstoß gegen Bereiche der UN Kinderrechtskonvention, besonders im Hinblick auf das Recht von Kindern auf psychisch gesundes Aufwachsen sowie Chancengerechtigkeit“. „Maßnahmen der Bundesregierung wie Kürzungen von Sozialleistungen, Ausgrenzung von Familien oder Jugendlichen mit Fluchtbiografie und Rückschritt in ein Zwei-Klassen-Schulsystem fördern die Kluft zwischen Reich und Arm. Es ist ausreichend bekannt und belegt, dass Armut krank macht. Die Leidtragenden sind die Kinder. Von Chancengerechtigkeit kann da keine Rede sein“, zeigt sich Christoph Hackspiel, Präsident der Kinderliga, besorgt.

Fachwelt bei gesetzlichen Eingriffen miteinbeziehen

Einen weiteren Verstoß gegen die UN Kinderrechtskonvention sieht die Kinderliga in der geplanten Maßnahme, Muttersprache in der Pause am Schulhof zu verbieten. Einmal mehr fordert Kinderliga-Präsident Hackspiel die Etablierung eines Bundeskinderbeirats.

Der Dachverband der Jugendhilfeeinrichtungen appellierte in einem Offenen Brief einmal mehr an die Politik, die geplante Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe wieder abzublasen. Darin bitten sie die verantwortlichen Minister, die Bedenken und Warnungen der Fachwelt ernst zu nehmen. Die Kritik komme schließlich von der Volksanwaltschaft, den Kinder- und Jugendanwaltschaften, vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte und von allen Einrichtungen, die mit Kinderschutz in Österreich zu tun haben. Selbst die Regierungsmitglieder der Bundesländer für Jugendhilfe seien dagegen.

„Kinderschutz ist so wichtig, dass die Fachwelt bei gesetzlichen Eingriffen selbstverständlich gehört und miteinbezogen werden muss, insbesondere, wenn diese über alle Parteigrenzen hinweg so eindeutig Stellung bezieht“, so der Dachverband.

Täglich 41.000 Kinder weltweit zwangsverheiratet

Auch das SOS-Kinderdorf übt Kritik an der Gesetzesvorlage. Die NGO regt eine Gesetzesprüfung für sämtliche Gesetzesvorhaben und Initiativanträge an. Die Hilfsorganisation machte zudem auf die hohe Zahl der Zwangsheiraten aufmerksam. Nach Angaben der Hilfsorganisation werden jeden Tag weltweit 41.000 Kinder zwangsverheiratet. „Jährlich sind dies 15 Millionen Kinder, über 80 Prozent davon Mädchen,“ wie die SOS-Kinderdörfer in einer Aussendung anprangerten. „Die Kinderehe gehört zu den schlimmsten Kinderrechtsverletzungen“, beklagt Louay Yassin, Sprecher der SOS-Kinderdörfer weltweit. Der SOS-Kinderdorfvertreter verwies auch auf die „schwerwiegende Folgen“ für die Mädchen: Junge Ehefrauen sind demnach häufig Opfer „häuslicher Gewalt und sexueller Übergriffe“ und müssen ihre Ausbildung abbrechen.

Rechte geflüchteter Kinder betont

Anlässlich des Weltkinderrechtetags wurde auch auf die Rechte geflüchteter Kinder und Jugendliche hingewiesen. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft sprach sich etwa für eine „menschliche Asylpolitik mit Augenmaß“ aus, wie sie in einer Aussendung mitteilte. Zudem sprach sich die NGO gegen die Abschiebung von Jugendlichen aus, die in Österreich sozialen Zusammenhalt leben und sich in Ausbildung befinden würden.

Auch das Don Bosco Flüchtlingswerk warnte vor der Benachteilung geflüchteter Kinder und Jugendliche. „Insbesondere jugendliche Flüchtlinge leiden durch ihre schlechte wirtschaftliche Lage, aufenthaltsrechtliche Beschränkungen und fehlende Kapazitäten häufig unter mangelnden Bildungschancen“, teilte Michael Zikeli, Geschäftsführer des Don Bosco Flüchtlingswerkes, in einer Aussendung mit.

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Kinder Kinderarmut
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© medinlive | 20.04.2024 | Link: https://www.medinlive.at/gesundheitspolitik/kritik-und-appelle-regierung