Heimisches Spitalswesen am Scheideweg
Leistungen raus aus dem Krankenhaus – aber wie? Auf Einladung der Österreichischen Ordensspitäler diskutierten die Gesundheitsexperten der Parteien.
Das Gesundheitswesen in Österreich steht mitten in einem großen Veränderungsprozess. Die Aufgaben von Spitälern und dem niedergelassenen Bereich werden gerade neu geordnet. „Wir müssen im System die Verteilung der Aufgaben diskutieren“, forderte etwa Gottfried Haber, Ökonom und Universitätsprofessor an der Donau-Universität Krems in seinem Vortrag. „Wir brauchen eine neue Aufteilung der Aufgaben: Was machen Krankenhäuser, was machen die anderen“, so Haber weiter.
In einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „Nach der Kassenfusion: Gibt es auch Reformbedarf im Österreichischen Spitalswesen?“ diskutierten schließlich die Gesundheitsexperten der Parteien im Wiener Ringturm unter der Leitung von ORF-Moderatorin Claudia Dannhauser. Die Gäste waren Michael Heinisch, Leiter der Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Ordensspitäler und Geschäftsführer der Vinzenz Gruppe, Josef Smolle, Mitglied des Gesundheitsausschusses für die ÖVP, Alois Stöger, Bundesminister a.D. und SPÖ-Nationalratsabgeordneter, Gerhard Kaniak, Mitglied im Gesundheitsausschuss für die FPÖ und Gerald Loacker, Gesundheitssprecher der NEOS.
„Es ist eine neue Aufgabenverteilung nötig, weil sich die Medizin rasant weiterentwickelt hat“, plädierte Josef Smolle, Arzt und früherer Rektor der medizinischen Universität Graz. „Der Schlüsselbegriff ist für mich der „Best point of service“. Damit die Kosten im System nicht exorbitant steigen, müssen wir die Patienten dorthin bringen, wo die Lösung ihrer Probleme am besten erfolgen kann – auch unter Einbeziehung der PHC.“
Diese Forderung und die Förderung der Primärversorgungszentren (PHC) unterstützt auch der freiheitliche Gesundheitssprecher, Gerhard Kaniak: „Wir wollen eine Neuordnung der Leistungsaufteilung und die Leistungen aus dem Krankenhaus zu den Bürgern in die Gemeinden bringen.“ Notwendig sei dafür die Sozialversicherungsreform: „Sie ist nur ein erster Schritt. Wir wollen den niedergelassenen Bereich stärken und auch den Allgemeinmediziner stärken. Deshalb schaffen wir jetzt Strukturen, um künftig flächendeckende Leistungsvorgaben schaffen zu können. PHC sind da sicher auch wichtige Anlaufstellen.“
Loacker befürchtet „föderalistisches Chaos“
Der ehemalige Gesundheitsminister Alois Stöger fordert zwar auch Reformen, steht aber den Plänen von ÖVP und FPÖ kritisch gegenüber: „Das Gesundheitswesen soll von den Bedürfnissen der Patienten und nicht von einer Berufsgruppe oder machtpolitischen Interessen gesteuert werden.“ Er plädiert dafür, dass man sich bei der Reform des Gesundheitswesens an den ursprünglichen Auftrag der Ordensspitäler orientiert: „Die Ordenskrankenhäuser sind die Erfinder des Krankenhauswesens. Sie haben aus einem christlichen Auftrag heraus als Erste die Versorgung von Armen und Behinderten im Blick gehabt. Erst später sind öffentliche Krankenanstalten entstanden. Darum geht es auch jetzt: Wir dürfen den Gesamtzusammenhang nicht aus dem Blick verlieren und auch heute noch Versorgung schaffen für jene, die scheinbar keinen Platz haben.“
NEOS-Vertreter Loacker befürwortet zwar die Errichtung von Primärversorgungszentren, kritisiert aber die Strukturen und die Umsetzung in den Bundesländern. „Österreich hat zu strikt festgelegt, welche Berufe in welcher Rechtsform im Primärversorgungszentrum zusammenarbeiten. Jedes Bundesland baut die Struktur für diese Zentren anders auf. Das endet noch im föderalistischen Chaos und wird schwer zu steuern sein.“
Die Herausforderungen für eine gute Gesundheitsversorgung seien regional sehr unterschiedlich, betont Michael Heinisch, Sprecher der Österreichischen Ordensspitäler. „Daher muss man die Bedürfnisse der Patienten lokal und regional bewerten. Da kann es durchaus sein, dass in strukturschwachen Gebieten ein Krankenhaus auch Aufgaben im ambulanten Bereich übernimmt.“ Heinisch kritisiert das fehlende Netzwerkdenken in der Diskussion der Primärversorgungszentren: „Die PHC werden zu wenig integriert mit anderen Anbietern von Gesundheitsleistungen gedacht. Aus Studien wissen wir aber, dass Patienten eine Vernetzung aller Beteiligten wollen.“
Heinisch meinte dazu weiter, dass „wir in Zukunft offener mit den Sektoren umgehen und die jeweiligen regionalen Bedingungen im Blick haben müssen. Ich plädiere für ein offeneres Verhältnis zwischen den aktuell oft zu strikt getrennten Bereichen.“