Einstimmigkeit für Gesetzesnovelle
Der Nationalrat hat diese am Donnerstag beschlossen. Die Novelle schafft unter anderem die Möglichkeit, dass Ärzte und Ärztinnen ihre Kollegen anstellen können. Die Reaktionen fallen großteils positiv aus. Die Bundeskurie niedergelassene Ärzte begrüßt die Anstellung Arzt bei Arzt.
Außerdem wird es Änderungen bei der Notarztausbildung sowie beim ärztlichen Beistand für Sterbende geben. Es dürfen Maßnahmen gesetzt werden, „deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen überwiegt". Wieder herausgenommen wurde der ursprünglich geplante und im Vorfeld vielstimmig kritisierte Ärztevorbehalt für komplementär- und alternativmedizinische Heilverfahren.
Abgeordnete erwarten sich bessere Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum
Die Anstellung von Ärzten und Ärztinnen durch ihre Kollegen werde flexiblere Ordinationszeiten bringen, betonte Gabriela Schwarz (ÖVP). Auch hätten die Mediziner mehr Zeit für ihre Patienten. Die neue Anstellungsmöglichkeit komme der Lebensplanung der jungen Ärzte und Ärztinnen entgegen und werde die Versorgung gerade im ländlichen Raum verbessern, bestätigte Josef Smolle (ÖVP). Konkret ist die Anstellung auf einen Mediziner aus demselben Fachgebiet bzw. zwei Teilzeitstellen beschränkt. In Gruppenpraxen können bis zu zwei Ärzte und Ärztinnen in Vollzeit bzw. vier ÄrztInnen in Teilzeit beschäftigt werden.
Ausdrücklich begrüßten die beiden ÖVP-Abgeordneten auch die Klarstellung bezüglich Palliativmedizin in der letzten Lebensphase, die nun Rechtssicherheit bringe. Ein Schritt in Richtung Euthanasie sei dies aber nicht, unterstrich Gabriela Schwarz mit Nachdruck.
Auch Brigitte Povysil (FPÖ) verspricht sich von der Novelle eine Verbesserung. Ärztepaare könnten dadurch gemeinsam arbeiten, die Ordinationszeiten würden nun flexibler gestaltet werden. Der Arztberuf werde durch die Anstellung in Gruppenpraxen attraktiver, was wiederum zu einer besseren gesundheitlichen Versorgung im ländlichen Raum führe, pflichtete ihr Fraktionskollegin Ricarda Berger bei. Positive Erwartungen knüpft auch Gerhard Kaniak (FPÖ) an die neue Anstellungsmöglichkeit. Dadurch würden der niedergelassene Bereich, das Kassensystem und insgesamt die Primärversorgung gestärkt, zumal es nun besonders im ländlichen Raum leichter werde, Kassenstellen nachzubesetzen. Auch biete sich dadurch für junge Ärztinnen mit Kindern die Möglichkeit, wieder in den Beruf einzusteigen, zeigte sich Kaniak überzeugt.
SPÖ-Abgeordneter Maurice Androsch erwartet sich weiters wesentliche Impulse für die Notfallversorgung, zumal nun auch junge TurnusärztInnen in diesem Bereich tätig werden können. Positiv beurteilte er auch die Anstellungsmöglichkeit von Ärzten und Ärztinnen durch ihre Kollegen, wobei er allerdings eine klarere Abgrenzung zwischen Anstellung und Vertretung vermisst. Namens der NEOS unterstützte Gerald Loacker die Novelle unter dem Aspekt der Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung, rief aber zu mehr Bürokratieabbau in der Medizin auf. Bei der Palliativmedizin plädierte er für weitere rechtliche Anpassungen, um wie etwa in der Schweiz einen assistierten Suizid zu ermöglichen. Er wertete die Novelle aber auch als Beleg für die Wichtigkeit einer angemessenen Begutachtungsfrist, denn so habe man „Unfug" wie das Homöopathiemonopol für Ärzte herausstreichen können.
Bundeskurie niedergelassene Ärzte begrüßt Anstellung Arzt bei Arzt
„Dass ordinationsführende Ärzte nun endlich Kolleginnen und Kollegen anstellen können, hilft beiden Seiten und ist ein entscheidendes Element im Kampf gegen den strukturellen Ärztemangel“, zeigte sich der Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Johannes Steinhart, erleichtert über den diesbezüglichen Parlamentsbeschluss – nicht ohne hinzuzufügen, dass die ÖÄK um diese Liberalisierung jahrzehntelang mit der Politik ringen musste.
„Weitgehend“ erfüllt sieht auch der Leiter der Bundessektion Allgemeinmedizin und stv. Bundeskurienobmann, Edgar Wutscher, die Forderung der Ärzteschaft nach flexibleren Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Ein Wermutstropfen sei jedoch die Beschränkung auf maximal eine Vollzeit- bzw. zwei Teilzeitanstellungen. Wutscher: „Was sich die Politik von dieser Limitierung verspricht, erschließt sich mir nicht. Grundsätzlich ist aber natürlich auch die nun beschlossene Lösung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“
Ideale Einstieg für Jungärzte
Mehr als früheren Generationen gehe es jungen Ärztinnen – und zunehmend auch Ärzten – um familienfreundliche Arbeitsbedingungen, so Steinhart und Wutscher. Mit der Anstellung Arzt-bei-Arzt eröffne sich eine zusätzliche attraktive Option, gerade auch für Frauen. Deren Anteil an der Gesamtärzteschaft betrage mittlerweile 47 Prozent, Tendenz steigend. Die meisten Ärztinnen seien im Spital tätig, wo sie mit 55 Prozent bereits die Mehrheit bilden. Der Anteil an weiblichen Ordinationsinhabern liege hingegen erst bei 37 Prozent.
Generell sei die Anstellung in einer Ordination der ideale Einstieg für Jungärztinnen und -ärzte, die nicht gleich den Sprung ins Unternehmertum wagen möchten. Auch im Bemühen um den Erhalt der Hausarztpraxen im ländlichen Bereich sei die Anstellungsmöglichkeit „ein wichtiger Baustein“, sagte Wutscher. „Gerade in der Allgemeinmedizin wird es aber noch zusätzliche Maßnahmen brauchen, um den Beruf nachhaltig zu attraktivieren. Allen voran Anpassung der Honorare ans Facharztniveau, Modernisierung des Leistungskatalogs und Einführung des Facharzttitels“, so der Leiter der Bundessektion Allgemeinmedizin.