Der Angeklagte verfügt zwar über einige - abgebrochene - Ausbildungen wie Krankenpfleger und Friseur sowie Perückenmacher, Medizin studiert hatte er nie. Trotzdem richtete er sich im Keller seines Hauses eine „professionell ausgestattete Praxis“, so die Staatsanwältin, ein. Da fehlten weder die Urkunden an der Wand noch eine Notarztjacke und ein Arztkoffer. Im Auto lag das Schild „Arzt im Dienst“, und auf den Karten stand „DrDr.med“. Er verabreichte Zeckenschutzimpfungen, führte Punktionen durch, verabreichte Antidepressiva und machte Hausbesuche. „Ein durchaus gemischtes Betätigungsfeld“, beschrieb es die Anklägerin. Schließlich führte er auch kleinere operative Eingriffe wie entzündetes Gewebe entfernen oder eine Talgdrüse öffnen durch.
Schlimme Folgen hatte seine „Behandlung“ für einen Rheumapatienten: Laut Staatsanwältin verabreichte er dem Mann Kochsalzinjektionen und Vitamin B12, was aber nichts half. Bald waren beide Hände geschädigt, es kam zu einer Fehlbildung der Fingergelenke. 2020 ging der „Arzt“ selbst als Patient in die Nervenklinik und legte gefälschte Befunde über einen Gehirntumor bei sich vor - die Ärzte bemerkten allerdings die Fälschungen sofort.
Facharzt für komplementäre Medizin
„Wie kommt man auf die Idee, sich eine professionelle Praxis mit Hausapotheke einzurichten?“, wollte Richterin Angelika Hacker wissen. Er habe eine Online-Ausbildung zum Heilpraktiker gemacht und im Bekanntenkreis Behandlungen durchgeführt, erzählte der Steirer, der sich auch als „Facharzt für komplementäre Medizin“ bezeichnet hatte. „Es war eine Dynamik, das hat sich so entwickelt“, versuchte er zu erklären. „Das kann sich nicht einfach so entwickeln. War das Größenwahn oder was?“, fragte die Vorsitzende. „Ich wollte wirklich helfen“, entgegnete der Angeklagte. „Leute wie Sie sind eine Gefahr“, war die Richterin überzeugt.
Einer der Zeugen war jener Patient, bei dem der falsche Arzt entzündetes Gewebe am Bein weggeschnitten hatte. Der Mann hat nach einem Unfall eine Beinprothese und immer wieder Probleme mit Entzündungen. Nach eigenen Angaben war er mindestens zehn Mal bei seinem „Arzt“. Dieser soll ihm erzählt haben, er sei Notarzt und Neurologe - und er sei als Notarzt auch bei dem schweren Unfall des Patienten dabei gewesen, bei dem dieser sein Bein verloren hatte. Ab 2018 habe es aber immer wieder Gerüchte gegeben, dass der Mediziner gar keiner sei, erzählte der Zeuge.
Der falsche Mediziner wurde zu 18 Monaten Haft, davon sechs unbedingt, verurteilt. Der Angeklagte erbat sich Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.