Welt-Glaukom-Tag

„Licht für die Welt“ startet Projekt in Afrika

Der Grüner Star (Glaukom) ist weltweit die zweithäufigste Ursache für Blindheit und die erste Ursache für irreversible Blindheit. Ein großangelegtes Projekt der Hilfsorganisation „Licht für die Welt” hat sich nun der mangelhaften Glaukomversorgung in afrikanischen Regionen südlich der Sahara verschrieben. 

ct/Agenturen

Allein zwischen 2010 und 2020 steigt die Zahl der Glaukom-Patienten weltweit von 60 auf 80 Millionen, warnte die Fachorganisation für Menschen mit Behinderungen, „Licht für die Welt“, am Freitag. Neben der zunehmenden Überalterung ist vor allem der Anstieg junger Patienten in afrikanischen Staaten südlich der Sahara dafür verantwortlich.

Genau da will „Licht für die Welt“ mit einem neuen Programm ansetzen. Zusammen mit Partnerorganisationen wird die Organisation deshalb ein Handbuch für Gesundheitsbehörden und Ärzte entwickeln sowie sechs Zentren für Glaukomerkennung und -behandlung einrichten. Außerdem werden mehr als hundert Augenärzte und medizinisches Fachpersonal über Glaukom geschult. Finanziert wird das umfangreiche Programm u.a. mithilfe der Else Kröner-Fresenius-Stiftung. Weltweit waren bereits 2015 drei Millionen Menschen durch Grünen Star erblindet, so „Licht für die Welt“. Weitere vier Millionen haben Sehbeeinträchtigungen durch die Krankheit. Besonders häufig tritt der Grüne Star in den Ländern südlich der Sahara auf, wo etwa im Vergleich zu Europa doppelt so viele Menschen erkranken. In diesen Staaten ist jede siebente Erblindung auf Grünen Star zurückzuführen.

Das neue „Licht für die Welt“-Programm wird sich auf Mosambik, Äthiopien und Burkina Faso konzentrieren. Denn das mangelnde Wissen um Grünen Star und seine Behandlung in den Kliniken und Gesundheitsbehörden dieser Länder führen leider zu oft zur Erblindung der Betroffenen. Viele Diagnosen werden erst dann gestellt, wenn die Menschen bereits erblindet sind. Nach dem Grauen Star ist der Grüne Star die zweithäufigste Ursache für Blindheit in Afrika.

Der Fachorganisation zufolge kann Grüner Star durch Augentropfen, Operation oder mittels Laser sehr gut behandelt werden, aber in Afrika fehlt es an Diagnosemöglichkeiten und Bewusstsein über die Krankheit. Auch die Kosten für die medikamentöse Behandlung, die ein Leben lang täglich erfolgen muss, sind für viele unerschwinglich. Hinzu kommt, dass die Augentropfen nicht immer und in allen Regionen erhältlich sind.

Svenja Schneider, die für die NGO Ostafrika-Projekte betreut, schilderte gegenüber „medinlive” die prekäre augenmedizinische Versorgung in den Projektländern.

medinlive: Frau Schneider, gerade sind Sie von einer Konferenz aus Äthiopien zurückgekehrt. Was stand dabei auf der Agenda?

Schneider: Die Konferenz war an sich schon eine Besonderheit. Denn dabei haben wir erstmals 25 Glaukomexperten vor allem aus afrikanischen Regionen südlich der Sahara sowie europäischen Ländern und den USA zusammengebracht, um gemeinsam konkrete Schritte gegen die mangelhafte Glaukomversorgung zu setzen. Dabei wurde an der Entwicklung eines Instruments gearbeitet, das die Glaukomversorgung aufbauen soll. Ziel ist es, dass afrikanische Augenärzte dieses Tool zweckgemäß, sinnvoll, ihren Ressourcen und Finanzierungsmechanismen entsprechend einsetzen können. Wir haben hiermit eine Plattform geschaffen, bei der afrikanische Experten und große Fachinstitutionen gemeinsam an einem praktischen Instrument arbeiten, das für den Einsatz vor Ort sinnvoll ist. Für die Initiative haben wir von internationalen Organisationen[1] sehr positives Feedback erhalten, auch da es noch nichts Vergleichbares gibt.

medinlive: Vor welchen Herausforderungen stehen die Fokusländer (Äthiopien, Mosambik und Burkina Faso) im Bereich der Augenmedizin?

Schneider: Generell gibt es sehr wenige Augenärzte. In allen drei Ländern, in denen wir hauptsächlich aktiv sind, gibt es im Schnitt einen Augenarzt auf eine Million Bevölkerung. Es fehlt insbesondere an Fachärzten für den augenmedizinischen Bereich, so auch für Glaukom. Zudem sind Infrastruktur und Gerätschaften oft nicht oder nur unzureichend vorhanden. Dadurch ist die für den Kontinent empfohlene chirurgische Versorgung kaum gegeben. Um dennoch etwas tun zu können, verschreiben Ärzte und Krankenpfleger Medikamente. Aber auch hier gibt es ein Versorgungsproblem, da Glaukom - Medikamente gerade im öffentlichen Sektor kaum verfügbar und auch Generika extrem teuer sind. Zudem werden sie von Patienten unregelmäßig oder nur temporär eingenommen, wie uns Ärzte und Helfer vor Ort berichten. Glaukom-Medikamente müssten allerdings täglich und lebenslang eingenommen werden, um wirksam zu sein.

medinlive: Wie wird die Erstdiagnose einer Glaukomerkankung in den Projektländern gestellt?

Schneider: Es gibt verschiedene Ebenen der augengesundheitlichen Versorgung. Dabei wird die Primärversorgung von Augenkrankenpflegern vorgenommen. Sie sind für die medizinische Erstversorgung zuständig und schreiben bei Verdacht auf Glaukom Überweisungen auf das nächste Level, wo es dann Augenärzte gibt. Die wissen um die hohe Prävalenz von Glaukomen, aber sie sind oft nicht ausreichend geschult oder ausgestattet, um eine verlässliche Diagnose zu stellen.

medinlive: Steigt angesichts der steigenden Zahlen das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Glaukomerkankung?

Schneider: Da das Offenwinkelglaukom, das in Afrika vorherrschend ist, typischerweise schmerzfrei ist, sehen die meisten Patienten es nicht so dringlich an zum Arzt zu gehen. Sie kommen meist erst so spät, dass man ihr Sehvermögen kaum noch retten kann. Kommen sie doch rechtzeitig zum Arzt, geschieht dies meist wegen anderer Pathologien, wie Katarakt oder einem anderen Augenproblem, das sie stärker wahrnehmen. Auch dann empfinden sie das Glaukom häufig nicht als Priorität. Oft wird es erst wahrgenommen, wenn die Sehfeldeinschränkung sehr weit fortgeschritten ist. Deswegen leisten Patienten oft der Überweisung vom Krankenpfleger zur nächsten medizinischen Ebene keine Folge oder die Behandlung scheitert an der Nichtverfügbarkeit der notwenigen OP oder Medikamente.

medinlive: Warum werden Angebote (Zuweisungen) nicht angenommen?

Schneider: Gerade im Fall von Blindheit ist es oft so, dass dies als Teil des Schicksals oder Alterserscheinung gesehen wird. Es wird oft hingenommen und ist für viele auch nicht alarmierend, weil angenommen wird, dass die meisten Menschen im Alter eine Einschränkung ihrer Sehfähigkeit haben. Viele wissen zudem nicht, dass es diese gesundheitliche Versorgung gibt. Daher ist es wichtig, dass neben dem Ausbau der Infrastruktur, auch proaktiv dafür geworben wird, damit die Möglichkeiten von der Bevölkerung genutzt werden.

medinlive: Wie wollen sie das Bewusstsein in der Bevölkerung steigern? Wie soll die Aufklärungsarbeit konkret aussehen?

Schneider: Zunächst ist es wichtig, die Personalressourcen aufzubauen. Wir brauchen mehr Glaukomexperten und Augenkrankenpfleger, um die Dienstleistungen ausweiten zu können. Dann wollen wir über mobile OP-Kampagnen und mobile Screenings, Radiokampagnen und Informationskampagnen die Bevölkerung über die Dienstleistungen informieren und für die Erkrankung sensibilisieren.

medinlive: Welche Auswirkung hat Blindheit in Entwicklungsländern auf den Alltag der Betroffenen?

Schneider: Blindheit ist in Ländern wie Mosambik, Äthiopien oder Burkina Faso ein Hindernis, das einem den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und gesellschaftlichen Leben verschließt. Im Großen und Ganzen sind Menschen, die blind oder sehbehindert sind, darauf angewiesen, dass ihr Umfeld auf sie Rücksicht nimmt. Da das Umfeld im Allgemeinen nicht barrierefrei gestaltet ist, können viele nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen, wirtschaftlich aktiv sein und sind durch starke Stigmata eingeschränkt. Das ist gerade im Fall von Kindern dramatisch, da sie nicht mehr die Schule besuchen und somit keine Zukunft aufbauen können. Es gibt kaum spezialisierte Institutionen, die sich mit Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderungen beschäftigen. In ganz Mosambik gibt es etwa nur eine Schule für blinde und sehbehinderte Menschen, in der die Brailleschrift gelehrt wird.

medinlive: Wie ist die Bereitschaft der lokalen und regionalen Gesundheitsbehörden für dieses Programm?

Schneider: Wir stimmen alle unsere Programme mit den lokalen und regionalen Vertretungen der Gesundheitsbehörden ab. Inzwischen ist auch Bewusstsein da, dass das Glaukom nach dem Grauen Star die zweithäufigste Ursache für Blindheit, und die erste Ursache für irreversible Blindheit ist.

Wir beobachten auch, dass nationale Strategien zur Augengesundheitsversorgung dem Glaukom immer mehr Bedeutung zuerkennen. Die nötige Ausbildung und Einrichtung für die medizinische Versorgung sind aber auch ressourcenintensiv, sodass Regierungen diese oft nicht bereitstellen können. Zudem stehen viele Krankheiten mit der Augengesundheit in Konkurrenz, gerade in Ländern, wo es eine hohe HIV-Prävalenz oder viele Malaria-Fälle gibt und damit Erkrankungen, die von der Regierung die meiste Aufmerksamkeit erhalten. Obwohl die wirtschaftliche Auswirkung von Blindheit sehr hoch ist, ist es für die Regierung keine Priorität in den Sektor zu investieren, da man an einem Augenproblem nicht sterben kann.

medinlive: Oftmals kommt die Glaukomerkrankung gleichzeitig mit einer Mangelversorgung (Vitamin A-Mangel) vor. Werden auch in dieser Richtung Maßnahmen gesetzt?

Schneider: Das Ziel ist eine integrale, umfassende Augenversorgung mit dem Ziel die häufigsten Krankheiten  zu behandeln. So wird beispielsweise Vitamin A- Mangel im Rahmen unserer Programme bereits durch Nahrungsmittelergänzung behandelt und von Sensibilisierung zur richtigen Ernährung begleitet. Deswegen ist es wichtig, dass man die bestehenden Versorgungsstrukturen aufbaut, damit sie in Zukunft auch Glaukom mitversorgen können.

SvenjaSchneider
Svenja Schneider, die für die NGO Ostafrika-Projekte betreut, schilderte gegenüber „medinlive” die prekäre augenmedizinische Versorgung in den Projektländern.
privat Svenja Schneider
Augenuntersuchung Grüner Star
Jede siebte Erblindung in Afrika südlich der Sahara geht zu Lasten eines Glaukoms, auch „Grüner Star" genannt.
Gregor Kuntscher