Einblicke

Nobelpreis: Was Zeilinger in letzten Jahren seines Lebens finden will

An die 2.000 Hörer im vollen Audimax der Uni Wien, einem zweiten Hörsaal und im Livestream folgten Mittwochabend Anton Zeilinger auf einer „Reise durch die wunderbare Welt der Quanten“. Der Quantenphysiker wiederholte seinen Nobelpreis-Vortrag, den er im Dezember in Stockholm gehalten hat. Mit Einblicken in seine Arbeit und vielen Anekdoten begeisterte Zeilinger auch das Wiener Publikum und erzählte, was er in den „bescheidenen letzten Jahren seines Lebens“ noch finden will.

red/Agenturen

Einmal mehr bewies Zeilinger, dass er auch ein Laienpublikum für seine oft schwer nachvollziehbaren Arbeiten begeistern kann. Technische Probleme am Beginn tat er mit dem Hinweis ab, das sei „klassische Physik, keine Quanten“, er drehte Piroutten, stellt sich mit ausgebreiteten Armen in die Mitte der Bühne, um verschränkte Teilchen darzustellen, lässt sich vom Publikum einsagen und weiß es dann doch besser. Eine Stunde lang lauschte und lachte das Publikum diesem „Rockstar“ - darunter die Ex-Wissenschaftsminister Hans Tuppy und Reinhold Mitterlehner, die früheren Präsidenten der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Herbert Mang und Helmut Denk, IV-Präsident Georg Knill sowie zahlreiche Fachkollegen wie Philip Walther, Gregor Weihs, Jörg Schmiedmayer und Peter Christian Aichelburg.

Der 77-jährige emeritierte Professor an der Universität Wien, der auch am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) arbeitet, erhielt im Vorjahr gemeinsam mit dem Franzosen Alain Aspect und seinem US-Kollegen John Clauser den Physik-Nobelpreis. Sie wurden „für Experimente mit verschränkten Photonen, Nachweis der Verletzung der Bellschen Ungleichungen und wegweisender Quanteninformationswissenschaft“ auszeichnet.

„Spukhafte Fernwirkung“

Dieses quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung wird oft als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet: Zwei oder mehr verschränkte Quantenobjekte, etwa Teilchen wie Photonen, bleiben wie von Zauberhand miteinander verbunden. Sie teilen ihre physikalischen Eigenschaften und verhalten sich wie ein einziges Quantenobjekt. Mit dem Erfahrungshorizont des Alltags ist das kaum nachvollziehbar, erklärt wird es oft mit Spielwürfel: Könnte man zwei Würfel verschränken, wüsste man zunächst nichts über ihren Zustand, also welche Augenzahl sie zeigen - so wie nach dem Wurf, wenn sie über den Tisch rollen. Aber sobald man bei einem Würfel nachsieht, welche Seite oben liegt, würde mit Sicherheit beim anderen die gleiche Seite nach oben zeigen - auch wenn dieser beliebig weit entfernt ist.

Zeilinger hält das deutsche Wort „Verschränkung“ für viel besser, weil es eine „wohldefinierte Verbindung“ beschreibe. Der englische Begriff „entanglement“ klinge dagegen „mehr nach Spaghetti“, wie er betonte. Er erinnerte an die Beschreibung des Phänomens durch Erwin Schrödinger, der in einer 1935 veröffentlichten Arbeiten Verschränkung nicht als eine, sondern als „DIE charakteristische Eigenschaft der Quantenmechanik“ bezeichnet habe.

Diese würde laut Schrödinger eine „Abkehr von der klassischen Denkweisen erzwingen“. Für Zeilinger ist das klar: „Man kann nicht mehr behaupten, dass Dinge ihre Eigenschaften haben in Raum und Zeit unabhängig von der Beobachtung. Nur wie die neue Denkweise aussieht, wissen wir bis heute nicht. Da gibt es immer noch offene Fragen und ich möchte die bescheidenen letzten paar Jahre meines Lebens an diese Fragen knüpfen, ob man da nicht vielleicht doch etwas findet.

Eigenes Vertrauen in „Spinnereien“

Das ist aber nicht das einzige, was Zeilinger noch antreibt - er vertraut offensichtlich auch weiterhin „ein bisschen seinen Spinnereien“, wofür er ja auch gleich nach der Bekanntgabe der Zuerkennung des Nobelpreises plädiert hatte. Und so will er weiter daran arbeiten, mögliche unbekannte Einflüsse auf die Messergebnisse von quantenphysikalisch verschränkten Teilchen auszuschließen. Er erinnerte an eine 2018 publizierte Arbeit, in der er und sein Team mithilfe des über zwölf Milliarden Jahre alten Lichts zweier Quasare dies getan haben - und zeigte dabei seine nach wie vor große, fast bubenhafte Begeisterung für die Physik: „Das ist schon recht knapp am Urknall, und ich muss sagen, wenn man auf dem Monitor des Teleskops ein Licht sieht, das von so weit herkommt - das ist schon was, das ist etwas Unglaubliches.“

Aber es sei noch nicht das Ende der Geschichte - „weil die beiden Quasare könnten ja noch eine gemeinsame Vergangenheit haben und von einer Ursache beeinflusst worden sein, die wir nicht kennen“. Und deshalb würde der Physiker gerne noch weiter zurückzugehen, um solche Schlupflöcher zu schließen. So will er etwa mit der Kosmischen Hintergrundstrahlung, einer Mikrowellenstrahlung aus der Frühzeit des Universums, „aus verschiedenen Ecken des Universums“ als nächsten Schritt arbeiten. Aber das ist ihm noch immer nicht genug: Weil man mit Licht nicht weiter als 380.000 Jahre nach dem Urknall zurückgehen kann, da erst da das Universum transparent wurde, denkt er an Neutrinos oder Gravitationswellen, die kurz nach dem Urknall entstanden sind. „Das ist eine spekulative Idee, aber ich habe schön öfter in meinem Leben spekulative Ideen gehabt und vielleicht lässt sich das durchführen.“

Der Rektor der Universität Wien, Sebastian Schütze, gratulierte Zeilinger zur „großartigen persönlichen Auszeichnung“, die auch die Uni „sehr stolz“ und sichtbar mache, dass „Spitzenforschung auf allerhöchstem Niveau in Österreich möglich ist“. Neun Wissenschafter und Wissenschafterinnen, die mit der Uni durch Forschung oder Lehre verbunden waren, hätten bisher den Nobelpreis erhalten. Ihnen ist die von Bele Marx und Gilles Mussard gestaltete Installation „Nobelpreis und Universität Wien - Gruppenbild mit Fragezeichen“ in der Aula des Uni-Hauptgebäudes gewidmet. Schütze betonte, bereits mit dem Künstlerduo für eine Erweiterung für Zeilinger im Gespräch zu sein.

WEITERLESEN:
Ehrendoktorat der Uni Innsbruck für Zeilinger