Pflegeheim-Prozess in NÖ: Frühere Kolleginnen der Angeklagten befragt

Im St. Pöltner Prozess gegen vier frühere Mitarbeiter:innen eines Pflegeheims in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) haben ehemalige Kolleginnen am Donnerstag geschildert, dass mehrere Bewohner „sehr müde“ gewesen seien und „kaum mehr gehen konnten“. „Das war schon auffällig“, meinte eine 49-Jährige. Laut Anklage sollen Beschuldigte Bewohner:innen zusätzliche Medikamente gegeben haben, um sie ruhigzustellen. Das Quartett bestreitet die Vorwürfe. Der Prozess geht am 16. März weiter.

red/Agenturen

Zwei Mitarbeiterinnen der Senecura-Einrichtung hatten Wahrnehmungen gemeldet. Der 49-Jährigen war aufgefallen, dass in der Früh viele der dementen Bewohner länger geschlafen hatten und erst mittags aus dem Zimmer gekommen waren. Sie habe zu ihrer Vorgesetzten gesagt, sie solle sich „die Leute einmal anschauen, da stimmt irgendetwas nicht“. Eine Kollegin hatte ebenfalls Meldung erstattet: „Ich habe gesagt, da passt irgendetwas nicht auf der Station.“ Die Reaktion sei gewesen, dass das „beobachtet“ werde. Eine Zeugin berichtete von einem „schlappen Allgemeinzustand“ mehrerer Bewohner:innen. Nachdem die Angeklagten entlassen wurden, seien die demenzkranken Personen auch in der Nacht wieder aktiver gewesen, hieß es. Zeuginnen berichteten, dass sich danach der Zustand der meisten Bewohner:innn wieder verbessert habe, es sei „wieder viel lebendiger geworden auf der Station“.

Wurden Bewohner:innen ruhig gestellt?

Unterschiedliche Aussagen gab es zur Frage, ob in dem Heim wie vorgeschrieben immer diplomiertes Personal hinzugezogen wurde, bevor etwa bei Schmerzen zusätzliche Medikamente auf Basis von Einzelverordnungen gegeben wurden. Laut Anklage sollen Schlafmittel oder starke Psychopharmaka mit dem Ziel verabreicht worden sein, ruhige Dienste zu haben. Ein Bewohner erlitt eine Medikamentenvergiftung. Die 46-jährige Erstangeklagte soll als Pflegeassistentin Kolleginnen aufgefordert haben, Mittel aus Einzelverordnungen zu verabreichen, damit Bewohner:innen ruhiger werden.

Eine weitere Zeugin, die nur wenige Wochen als Heimhelferin beschäftigt war, berichtete von Schlägen und Stößen der Viertangeklagten gegen Bewohner:innen: „Ich hab mir gedacht, ich bin im falschen Film.“ Die 39-jährige Beschuldigte bestritt die Vorwürfe. Befragt wurde am Donnerstag auch die Tochter einer Bewohnerin. Sie berichtete von Hämatomen, die ihre Mutter im März 2021 aufwies.

Beschuldigte bestreiten Vorwürfe

Der männliche Angeklagte wies am vierten Verhandlungstag darauf hin, dass Bewohner:innen Anfang 2021 gegen Corona geimpft wurden. Mehrere Personen hätten Fieber bekommen und „sind deswegen vermehrt im Bett gelegen“, sagte der 36-Jährige.

Zwei Mitarbeiterinnen hatten die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Die Beschuldigten - drei Frauen und ein Mann - wurden sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe entlassen. Die Anklagepunkte lauten Quälen und Vernachlässigen wehrloser Personen, fortgesetzte Gewaltausübung und sexueller Missbrauch von wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Personen von März 2020 bis März 2021. Die vier früheren Pflegekräfte tauschten sich via WhatsApp aus. Das Quartett hat sich zu Beginn der Schöffenverhandlung im Jänner nicht schuldig bekannt. Im Fall einer Verurteilung drohen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Weitere Verhandlungstage am Landesgericht St. Pölten sind für 16. und 30. März geplant.

WEITERLESEN: