Soziales

Wenn das eigene Haustier zum Therapeuten wird

Haustiere, und zwar die eigenen, als Ressource, um seine Gesundheit zu verbessern. Das ist grob gesagt das Konzept eines neuen Projekt der Volkshilfe Wien. Für wen das Sinn macht und was diese Idee bewirken soll, skizziert Projektleiterin Sabine Rauscher.

red

medinlive: Das Projekt „tierbegleitet bewegen“ in der Kurzvorstellung: Wen möchte man überhaupt damit erreichen und was war das Motiv für die Gründung?

Sabine Rauscher: Haustiere spielen eine große Bedeutung im Leben vieler Menschen, vor allem auch bei Menschen, deren soziale Kontakte aus unterschiedlichen Gründen eingeschränkt sind. Zum Leben vieler Menschen gehören nun einmal auch Haustiere und nachdem wir einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, gehört das Thema bei der Betreuung unserer Kundinnen und Kunden einfach dazu. Mit ihren Tieren erleben Menschen bedingungslose Liebe, Sicherheit, Nähe und Geborgenheit. Oft erleichtert das Tier, oder das Gespräch übers Tier, den Kontakt zu anderen Menschen, insbesondere beim Gassi gehen mit dem Hund.

Damit beugen Menschen mit Tier einer Isolation und der Einsamkeit gewissermaßen vor. Ist das Tier gesund, wird es in Bewegung gehalten und hält auch seinen Lieblingsmenschen physisch und psychisch gesund.

Jede Einschränkung des Menschen – seien es depressive Verstimmung oder gesundheitliche Belastungen – wirkt sich auch auf das Tier aus. Oft kommt es zur Lethargie. Hier setzen wir an: Unser Ziel ist es Mensch und Tier wieder in Schwung, in Bewegung zu bringen. Dafür haben wir ein Team von freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammengestellt. Sie werden beim Verein „TAT - Tiere als Therapie“ zu so genannten Mobilisationstrainerinnen und -trainern ausgebildet und kommen zum Hausbesuch.

Das besondere an unserem Projekt ist meines Wissens europaweit einzigartig: Wir arbeiten nicht mit ausgebildeten Therapietieren, sondern mit den eigenen Haustieren unserer Kunden und Kundinnen und betreuenden Personen.

medinlive: An wen konkret soll sich das Angebot richten?

Rauscher: Das Projekt „tierbegleitet bewegen“ richtet sich an Privatpersonen: Menschen mit Katze oder Hund, ältere, aber auch jüngere, die Lust haben, auf neue Weise in Bewegung zu kommen und etwas Neues für sich und ihr Tier zu lernen. Wir möchten momentan möglichst viele Mulitiplikatoren erreichen, die uns als innovatives Zusatzangebot empfehlen: Ärztinnen und Ärzte, Physio,- und Ergotherapeut*innen, Menschen mit einem Auge für Tiere.

„A G’spia für’s Tier“ hingegen, unser erstes Projekt, das bereits seit 2014 erfolgreich besteht, richtet sich speziell an ehemals wohnungslose Menschen und an Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, die Unterstützung bei der Re-Integration benötigen.

medinlive: Wie läuft das Projekt in der Praxis ab?

Rauscher: Das Angebot wird bei uns telefonisch und per mail gebucht. Den ersten Hausbesuch begleitet unsere Physio- oder Ergotherapeutin, die das Potential, aber auch eventuelle Einschränkungen sensibel wahrnimmt, sowohl beim Menschen als auch beim Tier. Sie raten ggf. auch zur ärztlichen Konsultation und beraten unsere Mobilitätstrainer*innen beim Zusammenstellen der Übungen. Die weiteren Besuche gestalten die Mobilitätstrainer*innen in enger Absprache mit Mensch und Tier. Zu Beginn des Trainings werden die gewünschten Ziele besprochen und am Ende wird das Erlernte resümiert. Im gesamten Projekt spielt die Freude für Mensch und Tier die wichtigste Rolle. Es kann mit drei Terminen zum Kennen lernen begonnen und beliebig verlängert werden, unser erster Kunde hat einen 10er Trainingsblock als Gutschein für seine Frau bestellt.

medinlive: Das Projekt ist ja noch sehr jung. Gibt es schon erstes Feedback?

Rauscher: Coronabedingt hat sich leider der Start unseres Angebotes verzögert. Unsere ersten Mobilitätstrainer*innen sind am Abschluss ihrer Ausbildung und starten nun in der Praxis. Unsere erste Kundin hat bereits einige Stunden konsumiert und ist so begeistert, dass sie uns weiterempfohlen hat. Die nächste Kundin beginnt gerade, gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Katzen. Unser Angebot stößt medial gerade auf großen Zuspruch und wir freuen uns, soeben den Fressnapf-Award 2020 gewonnen zu haben.

„tierbegleitet bewegen“

Tiere als Therapie

Die Volkshilfe Wien beschäftigt rund 1.500 Mitarbeiter*innen. Davon sind etwa 800 Mitarbeiter*innen im Bereich mobile Pflege tagtäglich im Einsatz – sie betreuen und versorgen die Menschen vor Ort.

Im ehrenamtlichen Bereich unterstützen mehr als 200 Funktionär*innen, die sich in unabhängigen Bezirksgruppen organisiert haben, die Arbeit der sozialen Organisation.

Die Volkshilfe Wien hat rund 3.000 Mitglieder. Wir pflegen und betreuen Menschen in besonderen Lebenslagen und ermöglichen dadurch ein Leben in Würde und Selbstbestimmung. Wir machen Solidarität mit den Pflegebedürftigen spürbar.

Volkshilfe Wien
Sabine Rauscher ist der Kopf hinter dem Projekt, sie hat auch „A Gspia fürs Tier" ins Leben gerufen.
Volkshilfe Wien
Volkshilfe Wien
Keine speziell ausgebildeten Therapietiere, sondern die eigenen Vierbeiner sollen helfen.
Volkshilfe Wien