Einer der bekanntesten Demonstranten des vergangenen Jahres war der NASA-Klimawissenschafter Peter Kalmus. Am Mittwoch, den 6. April, fesselte er sich gemeinsam mit anderen Wissenschaftern an die Eingangstüren der US-Bank JP Morgan Chase in Los Angeles, weil das Geldhaus neue fossile Projekte finanziert. Die Verhaftung nahm er in Kauf. „Ich bin bereit ein Risiko für diesen großartigen Planeten einzugehen“. Als er sagt, er tue das für seine beiden Söhne, bricht ihm die Stimme.
Zwei Tage zuvor hatte UNO-Chef Guterres in einer Brandrede zu einer Art Revolution aufgerufen. „Wir stehen in der Schuld junger Menschen, der Zivilgesellschaft und indigener Gemeinschaften, die Alarm geschlagen und die Politiker zur Verantwortung gezogen haben. Wir müssen auf ihrer Arbeit aufbauen, um eine Graswurzelbewegung zu gründen, die nicht ignoriert werden kann.“
Globale Bewegung ruft zum Widerstand auf
Für Steurer sei Guterres „einer der wenigen Politiker, der die Warnungen der Wissenschaft ernst nimmt und in eigene Worte fast“. Guterres' Aufruf zum Widerstand dürfte den Protesten zusätzlichen Schwung verliehen haben: „Natürlich bestärkt und legitimiert er damit jene Teile der Klimabewegung, die sich nicht mehr mit offenbar zu wenig wirksamen Stellungnahmen und Demonstrationen begnügen“, so Steurer.
Wie Steurer erklärt, ist Kalmus Teil einer globale Bewegung von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, die sich dem zivilen Widerstand verschrieben haben. Diese Bewegung gebe es bereits seit September 2020, sei aber erst 2022 aufgrund der Berichte des Weltklimarats IPCC und der global vernichtenden Bilanz der Klimapolitik lautstark in Erscheinung getreten. An dieser Bewegung würden sich tausende Forscher aller Karrierestufen, von Doktoratsstudierenden bis hin zu erfahrenen Wissenschaftern, beteiligen.
Laut Steurer handelt es sich bei den Protesten „um eine angemessene Notwehr-Reaktion von jenen, die schon heute wissen, wie groß die Katastrophe in wenigen Jahren werden wird, wenn sich unser Kurs nicht grundlegend ändert. Da geht es dann nicht nur um Dürren und Überschwemmungen, sondern um Millionen Tote durch Hitze und Ernteausfälle.“
Widerstand wird zunehmen
Der Wiener Politikwissenschafter erwartet, dass die Proteste noch heftiger werden. „Man muss kein Hellseher sein um zu sehen, dass sich der Klimanotstand weiter zuspitzen und politischen Reaktionen darauf unangemessen bleiben werden. Solange das so ist, werden sämtliche Formen des Widerstands weiter zunehmen.“ Steuer kann den Aktionen auch etwas Positives abgewinnen. „Das ist ein gutes Zeichen, denn solange sich jene, die am meisten über den Klimanotstand wissen, mit hohem persönlichem Einsatz dagegen stellen und dafür sogar ihre berufliche Laufbahn riskieren, haben sie noch nicht aufgegeben.“
Im Jänner 2023 organisierte dann Steurer selbst eine Solidaritätsaktion für die "Letzte Generation". Gemeinsam mit rund 40 anderen Wissenschaftern stellte sich Steurer solidarisch hinter die Aktivistinnen und Aktivisten, die sich am Wiener Praterstern auf die Fahrbahn klebten bzw. setzten.