In diesem Sinne sollten Erstuntersuchung, Dioptrienbestimmung und Kontrolle, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, ausschließlich bei den Augenärzt:innen erfolgen. Nur so könne verhindert werden, dass Brillen mit einer falschen Dioptriezahl angepasst würden.
Darüber hinaus gebe es eine große Zahl an Augenerkrankungen, die rechtzeitig erkannt und behandelt werden müssten – was aber eben nur in einer Arztordination möglich sei. „Wir denken hier vor allem an versteckte Weitsichtigkeit, Schielstatus, cerebral visuell bedingte Sehstörungen, aber auch an die Diagnosestellung einer Legasthenie“, so Azem und Seher. Denn nicht jede Leseschwäche sei zwangsläufig eine Lese- und Rechtschreibstörung, oft liege es „nur“ an den Augen.
Allen Eltern empfehlen die beiden Augenärzt:innen, noch vor Schulbeginn eine umfassende Augenkontrolle in einer Arztordination durchführen zu lassen. Azem weist zudem auf die gute und wichtige Zusammenarbeit mit den Optikern hin. Diese seien „Partner bei gut sitzenden und richtig zentrierten Brillen – aber eben erst nach erfolgter augenärztlicher Verordnung der Brille“.
Erste Brille soll vom Augenarzt kommen
Ähnliche Empfehlungen gab Sarah Moussa, Fachärztin für Augenheilkunde, kürzlich ab. Meist könne nur durch die „Weitstellung der Pupillen“, also durch das Eintropfen der Augen, der korrekte Dioptrienwert ermittelt werden, so Moussa am Dienstag. Außerdem kann dabei der Augenhintergrund genauer betrachtet werden, um mögliche andere Krankheiten zu erkennen. Bei Untersuchungen ohne das Eintropfen der Augen könnten besonders Kinder Fehlsichtigkeiten sehr gut kompensieren. So werde Weitsichtigkeit durch besondere Anstrengung der Augenmuskeln ausgeglichen und die Fehlsichtigkeit kann falsch eingeschätzt oder gar nicht erkannt werden. Konzentrationsschwierigkeiten oder Kopfschmerzen könnten Folgen sein.
Häufigste Fehlsichtigkeiten sind Kurzsichtigkeit (Myopie), Weitsichtigkeit (Hyperopie) und Stabsichtigkeit (Astigmatismus oder Hornhautverkrümmung). Bei Kurzsichtigkeit beider Eltern sei das Risiko für ein Kind, selbst kurzsichtig zu werden, deutlich erhöht. Hinzu komme immer mehr Naharbeit mit Handys, Tablets und Laptops, die eine Myopie zusätzlich verstärken kann. „Kinderbrillen sind nicht nur Sehhilfe, sondern auch Therapie. Deshalb muss der Augenarzt ihre Wirkung auch regelmäßig überprüfen“, so Moussa.
Augenärzt:innen erwarten mehr Kurzsichtigkeit bei Kindern
Als Folge der Corona-Pandemie mit eingeschränktem Freizeitangebot und viel Zeit zu Hause rechnen Augenärzt:innen in Deutschland mit einer Zunahme der Kurzsichtigkeit bei Kindern. „Es ist zu erwarten, dass in der Pandemie durch übermäßiges zu nahes Sehen auf Handys oder Tablets die Kurzsichtigkeit unter Kindern zugenommen hat“, sagte der Sprecher des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands (BVA), Ludger Wollring, der Deutschen Presse-Agentur.
„Uns liegen dazu keine Daten vor, aber frühere Studien lassen diese Auswirkung vermuten.“ Um Kurzsichtigkeit bei Kindern vorzubeugen, sei Tageslicht ein wichtiger Faktor. Selbst dämmriges Tageslicht sei besser als Kunstlicht. „Vor allem langes Spielen am Handy oder Tablet kann bei Kindern zu Kurzsichtigkeit führen“, sagte Wollring. „Unter Lockdown-Bedingungen mit wenig Freizeitangebot sollten Eltern mit ihren Kindern besonders viel rausgehen.“ Der BVA wurde 1950 gegründet. Er fördert und vertritt die Berufsinteressen der Augenärzt:innen.