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Monkeypox Virus

Die Affenpocken beschäftigten die Welt zunehmend mehr

Die Affenpocken haben sich aus Afrika einigermaßen rasant über den Globus verbreitet. Die britischen Gesundheitsbehörden etwa verabreichten seit deren Auftreten bereits mehr als 1.000 Dosen des Pockenimpfstoffs Imvanex. Auch Deutschlands Gesundheitsminister Karl Lauterbach sorgt vor und hat inzwischen knapp 40.000 Dosen des Vakzins geordert. Eine Eindämmung der Krankheit hält die WHO weiterhin für möglich, den jüngsten Ausbruch stuft sie jedoch dennoch als außergewöhnlich ein. In Österreich gibt es nun sogar offizielle Empfehlungen für den Umgang mit Kontaktpersonen.

red

Wie eine Sprecherin der UKHSA (UK Health Security Agency) am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, haben die britischen Gesundheitsbehörden seit dem vermehrten Auftreten von Affenpocken-Fällen un Land bereits mehr als 1.000 Dosen des Pockenimpfstoffs Imvanex an Kontaktpersonen verabreicht. Weitere 3500 Dosen seien auf Lager, fügte die Sprecherin hinzu.

In Großbritannien wurden beim aktuellen Ausbruch bislang 56 Fälle von Affenpocken registriert. „Weil sich dieses Virus über engen Körperkontakt verbreitet, rufen wir alle auf, auf ungewöhnliche Hautausschläge oder Veränderungen zu achten“, sagte UKHSA-Chefin Susan Hopkins. Ein beträchtlicher Anteil der Fälle in Großbritannien und dem Rest Europas sei bei schwulen oder bisexuellen Männern aufgetreten. Daher rufe man diese besonders auf, auf entsprechende Symptome zu achten, sagte Hopkins.

Großbritannien empfiehlt für enge Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten eine dreiwöchige Quarantäne. Als Person mit hohem Infektionsrisiko gelte, wer entweder im selben Haushalt mit einer erkrankten Person lebe, mit einer solchen Geschlechtsverkehr gehabt oder deren Bettwäsche ohne Schutzkleidung gewechselt habe, hieß es in einer Mitteilung der Gesundheitsbehörde. Diese Gruppe soll demnach neben der Empfehlung zur Quarantäne auch die schützende Pockenimpfung erhalten. Vermieden werden solle insbesondere der Kontakt mit Schwangeren, Kindern unter zwölf Jahren sowie Menschen mit unterdrücktem Immunsystem.

Lauterbach: Bis zu 40 000 Dosen Pockenimpfstoff bestellt

Für den möglichen Fall einer weiteren Ausbreitung der Affenpocken sorgt Deutschland vor. Laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach wurden dort „bis zu 40 000 Dosen“ Pockenimpfstoff bestellt. Das Vakzin namens Imvanex sei in den Vereinigten Staaten gegen Affenpocken zugelassen, sagte der SPD-Politiker am Dienstag am Rande des Deutschen Ärztetags in Bremen. Es gehe darum, vorbereitet zu sein auf eventuell nötige Impfungen von Kontaktpersonen von Infizierten (Ringimpfungen).

Der Impfstoff könne genutzt werden, um eine Ansteckung zu verhindern - aber auch, um bei bereits Angesteckten den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern oder zumindest zu verzögern. „Ich rechne damit, dass wir also hier eine Reserve in Kürze geliefert bekommen“, sagte der Minister.

Seit 2013 ist Imvanex in der EU gegen die Pocken zugelassen. Eine Zulassung zur Vorbeugung von Affenpocken hat das Mittel in der EU nicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wies kürzlich darauf hin, dass dieser Impfstoff nicht flächendeckend verfügbar sei.

Erster Fall in Tschechien aufgetreten

Auch in Österreichs Nachbarland Tschechien ist bereits ein erster Fall von Affenpocken aufgetreten. Das sagte der Mediziner und Experte für Infektionskrankheiten Pavel Dlouhy von der tschechischen Ärztevereinigung CLS JEP am Dienstag dem Nachrichtenportal Seznamzpravy.cz. Der Patient werde im Zentralen Militärkrankenhaus in Prag behandelt.

Die Affenpocken sind eine Viruserkrankung, die auch beim Menschen auftreten kann, aber in Europa bisher nur selten nachgewiesen wurde. Das Virus ist mit dem Erreger der als ausgestorben geltenden echten Pocken verwandt. Gegen die Pocken bestand in der damaligen Tschechoslowakei bis 1980 eine Impfpflicht.

WHO: Viruserkrankung eindämmbar

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versucht zu kalmieren und betrachtet eine Eindämmung der Affenpocken weiterhin als möglich, auch wenn sie den jüngsten Ausbruch außerhalb Afrikas als außergewöhnlich einstuft. Es würden weitere Treffen anberaumt, um die zuständigen Behörden in verschiedenen Ländern bei der Bekämpfung der Krankheit zu unterstützen und zu beraten, teilte die UN-Gesundheitsorganisation am Dienstag mit.

Bisher sind der WHO) mehr als 250 Fälle von Affenpocken aus 16 Ländern gemeldet worden. Diese Zahl an bestätigten Infektionen und Verdachtsfällen betreffe jedoch nur Länder, in denen die Viruskrankheit zuvor nicht regelmäßig gehäuft aufgetreten sei, sagte WHO-Expertin Rosamund Lewis am Dienstag in Genf. Die meist mild verlaufende Krankheit war schon vor den derzeitigen Fällen gelegentlich in westlichen Ländern immer wieder in einigen wenigen afrikanischen Ländern aufgetreten. In der Demokratischen Republik Kongo gab es laut WHO dieses Jahr bereits 1.200 Verdachtsfälle, die wenigsten allerdings labordiagnostisch bestätigt.

Am Montag hatte die WHO erklärt, sie sehe derzeit keine Notwendigkeit von Massenimpfungen gegen Affenpocken. Maßnahmen wie Hygiene und präventives Sexualverhalten würden helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Impfstoffbestände seien relativ begrenzt, so die WHO. Am selben Tag teilte die US-Seuchenbehörde CDC mit, dass die USA mit der gezielten Ausgabe von Impfstoffen starteten.

RKI: Empfehlung zur Isolation von drei Wochen

Das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin empfahl unterdessen bei einer Infektion mit Affenpocken eine Isolation von mindestens 21 Tagen. Darüber hinaus gebe es auch eine dringende Empfehlung für Kontaktpersonen, sich für mindestens 21 Tage in Isolation zu begeben, sagte der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit RKI-Präsident Lothar Wieler. Mit dieser Maßnahme wolle man das Ausbruchsgeschehen in Deutschland in den Griff bekommen.

„Wir haben gute Chancen diesen Erreger zu stoppen, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa“, sagte Lauterbach. Es handle sich nicht um den Beginn einer neuen Pandemie. Laut Wieler sind Stand Dienstagvormittag in Deutschland fünf Fälle an das RKI übermittelt worden. Dabei handle es sich ausschließlich um Männer.

Österreich: Empfehlungen für Umgang mit Kontaktpersonen öffentlich

Die von den Gesundheitsbehörden in den Ländern erwarteten Empfehlungen für den Umgang mit Kontaktpersonen von Affenpocken-Patient:innen sind öffentlich. Das Gesundheitsministerium veröffentlichte diese ebenso wie die Falldefinition für Affenpocken am späten Dienstagvormittag. Derzeit gebe es keine weiteren Verdachtsfälle von Infektionen mit dem Affenpockenvirus, sagte ein Sprecher von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) der APA.

Der Wiener Gesundheitsverbund gab unterdessen zum bisher einzig bestätigten Affenpocken-Fall in Österreich bekannt, dass der Zustand des Patienten, der in einer Wiener Klinik liegt, weiter „gut und stabil“ ist. Er werde nach wie vor symptomatisch und unterstützend behandelt. Auch dem Gesundheitsverbund sei bisher kein weiterer Verdachtsfall bekannt, hieß es auf APA-Anfrage.

Manches in den Empfehlungen zum Kontaktpersonenmanagement kommt durchaus aus der Corona-Pandemie bekannt vor: Es gibt Typ I- und Typ II-Kontaktpersonen, was nach der Intensität des Kontakts definiert wird. Typ I sind Hochrisikokontakte, „die direkten Kontakt mit Hautläsionen (alle Stadien, inklusive Krusten) oder Schleimhäuten eines symptomatischen Affenpockenfalles, dessen Körperflüssigkeiten oder zu potenziell infektiösem Material“ haben, wie es in den Empfehlungen heißt. Dies wird in der Folge näher definiert. Typ I-Kontakte sind demnach Sexualpartner, Menschen, die zum Beispiel beim Reinigen in kontaminierten Räumen Gefahr laufen, Atemwegssekret-Tröpfchen oder aufgewirbelten, virusbelasteten Staub einzuatmen, Haushaltskontakte oder Ähnliches - zum Beispiel eine Übernachtung im selben Raum -, Hautkontakt mit geteilter Kleidung, Bettwäsche oder geteilten Gebrauchsgegenständen, wozu auch Gegenstände am Arbeitsplatz zählen, Personen mit Hautverletzungen durch geteilte scharfe Gegenstände (zum Beispiel Nadeln oder Klingen) und Passagiere in Flugzeugen, Bussen und Zügen mit zumindest acht oder Stunden Fahrdauer.

Typ II-Kontakte sind kurze soziale Kontakte, Arbeitskolleginnen und -kollegen, die sich kein Büro teilen, kurze Aufenthalte im Fitness-Studio, Sauna, Bad oder Ähnliches ohne sexuellen Kontakt und Personen mit adäquater persönlicher Schutzausrüstung. Dazu zählen FFP2- oder höherwertige Masken, langärmelige Schutzmäntel, Schutzbrille und Handschuhe.

Bei Typ I-Kontakten empfehlen die Experten des Gesundheitsressorts zunächst einmal die namentliche Registrierung mit der Erhebung von Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Berufsort, Berufstätigkeit und Wohnverhältnissen durch die zuständige Gesundheitsbehörde - kurz das Contact Tracing.

Ständige Interaktion zwischen Behörde und Erkrankten

Die Kontaktpersonen sollen zudem durch die zuständige Gesundheitsbehörde über Symptomatik und Progression der Erkrankung aktiv informiert werden, außerdem sollte ihr Gesundheitszustand durch die Behörde für die Dauer von 21 Tagen nach Letztexposition in Form einer täglichen telefonischen Kontaktaufnahme überwacht werden. Wenn Symptome wie Fieber, Ausschlag usw. innerhalb von 21 Tagen nach Letztexposition auftreten, soll die zuständige Behörde einen labordiagnostischen Test veranlassen. Die Person sollte sich sofort selbst isolieren, bis die Affenpocken-Infektion ausgeschlossen werden kann. Kontakt mit immunsupprimierten und schwangeren Menschen sowie Kindern unter zwölf Jahren sollten auch am Arbeitsort vermieden werden, ebenso enge physische Kontakte und Kontakte mit Haustieren. Dazu muss auf die Handhygiene und die Hygiene beim Husten, Niesen und Schnäuzen geachtet werden. Drei Punkte - Contact Tracing, Information und Selbstüberwachung - werden auch für Typ II-Kontakte empfohlen.

Das Gesundheitsministerium wies erneut darauf hin, dass mit Affenpocken infizierte Menschen für die gesamte Dauer der Erkrankung von zwei bis vier Wochen selbst ansteckend sind. Es gibt ein Präeruptives (oder Prodromal-) und ein eruptives Stadium. Ersteres ist durch anfänglich plötzlich einsetzendes hohes Fieber (38,5 - 40,5 Grad Celsius), Kopf- und Muskelschmerzen, Erschöpfung und sehr häufig Lymphknotenschwellung - vor allem im Hals- und Nacken sowie im Leistenbereich -, eventuell auch durch Husten, Unwohlsein und manchmal durch Durchfälle gekennzeichnet.

Das Eruptive Stadium tritt nach ein bis drei Tagen ein, es bilden sich Hautveränderungen. Zunächst gibt es Ausschläge im Mund-Rachenraum, im Gesicht, an den Händen und Unterarmen gefolgt von einer Ausbreitung in Richtung des Körperzentrums. Dies verläuft in weiterer Folge mit den pockentypischen sogenannten Effloreszenz-Stadien von begrenzten Farbänderungen der Haut über Bläschen und Pusteln bis zu den Krusten. Davon kann auch der Genitalbereich betroffen sein. Schließlich heilen die Krusten ab. Erst wenn diese vollständig verschwunden sind, sind Patient:innen nicht mehr ansteckend.

Bei der Falldefinition gibt es in Ergänzung der eben beschriebenen klinischen Kriterien weitere Parameter wie zum Beispiel epidemiologische: Das betrifft etwa Kontakt zu potenziell infizierten Tieren, in Afrika endemische Arten, Reiserückkehrer aus west- oder zentralafrikanischen Ländern und/oder Kontakt mit einem wahrscheinlichen oder bestätigten humanen Affenpocken-Fall. Und es gibt labordiagnostische Kriterien: Das sind Nachweise über das Vorliegen einer Orthopoxvirus-Infektion (zum Beispiel Orthopoxvirus-spezifische positive PCR ohne Sequenzierung) oder Nachweise von Affenpockenvirus-spezifischen Nukleinsäuren in einer klinischen Probe mittels PCR3 oder Sequenzierung.

Strenge Differenzierung

Unterschieden wird auch zwischen Verdachts-, wahrscheinlichen und bestätigten Fällen. Verdachtsfälle sind demnach Menschen, die mindestens eines der epidemiologischen Kriterien erfüllen, Fieber oder einen Ausschlag unbekannter Ursache aufweisen und zwei oder mehr unspezifische Symptome zeigen, die innerhalb von 21 Tagen nach dem letzten Kontakt (in Bezug auf die epidemiologischen Kriterien haben).

Wahrscheinliche Fälle sind Patient:innen mit Ausschlag unbekannter Ursache, einem oder mehreren weiteren Affenpockensymptomen und einem der folgenden weiteren Punkte: Dazu gehören ein positives Labortestergebnis auf eine Orthopoxvirus-Infektion, eine entsprechende Reisehistorie, eine epidemiologische Verbindung zu einem bestätigten oder wahrscheinlichen Fall oder multiple oder anonyme Sexualkontakte innerhalb der vergangenen 21 Tage. Wahrscheinliche Fälle sind auch Menschen mit entsprechendem Ausschlag. Bestätigte Fälle sind schließlich solche, die in einem Labor entweder durch einen Affenpocken-PCR-Test oder durch einen Orthopoxvirus-spezifischen PCR-Test und Bestätigung durch Nukleotidsequenzbestimmung festgestellt wurden.

Für das Contact-Tracing selbst seien immer die lokalen Gesundheitsbehörden zuständig, hieß es im Gesundheitsministerium. Dazu gebe es Vorgaben des Ressorts. Auch in der Vergangenheit sei das, zum Beispiel bei der Tuberkulose oder den Masern, so gehandhabt worden. Darüber hinaus gibt es ein internationales Contact-Tracing bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). „Österreich ist daher gut auf die aktuellen Gegebenheiten rund um die Affenpocken vorbereitet“, zeigte sich das Ministerium überzeugt. Es bestehe „auch weiterhin kein Grund zur Besorgnis“. Europaweit handle es sich bei den bestätigten Fällen nach wie vor um Einzelfälle. „Eine Entwicklung hin zu einem breiten Infektionsgeschehen scheint aktuell als äußerst unwahrscheinlich“, hieß es.

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„Wir haben gute Chancen diesen Erreger zu stoppen, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.“ Karl Lauterbach