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Lead Horizon

Ermittlungen wegen Untreue, Urkunden- und Beweismittelfälschung

Gegen Michael Putz, den Mehrheitseigentümer von Lead Horizon, dem in der Corona-Pandemie bekannt gewordenen Anbieter von „Alles Gurgelt“-Test-Kits, wird bereits seit Dezember 2022 von der Staatsanwaltschaft Wien ermittelt, bestätigte die Behörde. Es steht der Verdacht auf Untreue, Urkunden- und Beweismittelfälschung im Raum. Zudem wurde bekannt, dass eine Millionen-Klage gegen Lead Horizon am Wiener Handelsgericht anhängig ist.

red/Agenturen

Ob bei der Untreue ein Schaden jenseits der Wertgrenze von 300.000 Euro in Betracht kommt, ist offen. „Das ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen“, stellte Behördensprecherin Nina Bussek dazu fest. Wäre dem Beschuldigten an deren Ende ein angerichteter Vermögensschaden von mehr als 300.000 Euro nachzuweisen, hätte das im Fall einer Verurteilung Auswirkungen auf den Strafrahmen. Der läge dann bei einem bis zu zehn Jahren Haft. Für den Verdächtigen, der die Vorwürfe bestreitet, gilt die Unschuldsvermutung.

In einer übermittelten Stellungnahme betonte Lead Horizon am Mittwochabend, es werde nicht gegen das Unternehmen ermittelt: „Es handelt sich um eine Auseinandersetzung auf Gesellschafterebene.“ Lead Horizon sei bereits 2021 in dieser Angelegenheit von einem unabhängigen Sonderprüfer „bis ins kleinste Detail geprüft“ worden, „ohne dass dabei jegliche Unregelmäßigkeiten zutage gefördert werden konnten“. Auch die genaue Prüfung des Jahresabschlusses 2021 durch die KPMG Austria GmbH habe keinerlei Auffälligkeiten ergeben.

Die Ermittlungen beruhen auf einer Sachverhaltsdarstellung, die einer der Gründer von Lead Horizon, Christoph Steininger, bei der Wiener Anklagebehörde eingebracht hat, berichtete der ORF. Steininger ist mittlerweile nicht mehr in dem Unternehmen tätig. Konkret ermittelt wird unter anderem, weil der Beschuldigte in mehreren Fällen Gelder aus dem Unternehmen genommen und damit andere Eigentümer und die Firma geschädigt haben soll. Es gehe etwa um Umbauarbeiten in einem Büro des Verdächtigen. Von einem Schaden in der Höhe von fast einer Viertel Million Euro ist die Rede. Auch soll der Mann eine seiner anderen Firmen um mehr als 80.000 Euro beauftragt haben, obwohl die gar nicht über die notwendige Gewerbeberechtigung verfügt haben soll. Ein weiterer Vorwurf: Der Verdächtige soll ein Angebot einer Beratungsfirma verändert haben, hier wird laut ORF auch wegen Urkunden- und Beweismittelfälschung ermittelt.

Als der Virologe Steininger das Unternehmen verlassen hat, soll der Verdächtige auch dessen Sicherheitsagenden übernommen haben, obwohl er weder Virologe, noch Arzt oder Pharmakologe ist. Allerdings schreibe das Medizinproduktegesetz vor, dass diese Funktion nur eine Person „mit der zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Sachkenntnis und Zuverlässigkeit“ ausüben dürfe, berichtete der ORF. Der nun Beschuldigte soll diese Funktion monatelang inne behalten haben. Dazu teilte Lead Horizon mit, der Sicherheitsbeauftragte sei nicht für die Entwicklung des Medizinprodukts oder die Bewertung dessen technischer Eigenschaften in puncto Qualität und Wirksamkeit verantwortlich gewesen, sondern nur für die Bearbeitung von bekanntgewordenen Risikohinweisen. Insofern habe der nunmehr Beschuldigte die damaligen gesetzlichen Voraussetzungen an den Sicherheitsbeauftragten erfüllt.

ÖVP fordert „lückenlose Aufklärung“

„Die Ermittlungen gegen den Eigentümer der Corona-Test-Firma 'Lead Horizon' zeigen, dass sich die Stadt Wien einmal mehr mit fragwürdigen Partnern umgeben hat", meldete sich indes ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zu Wort. Die Causa werfe zahlreiche Fragen auf, „die seitens des großzügigen Auftraggebers, der roten Stadt Wien, beantwortet werden müssen“, meinte Stocker in einer Presseaussendung unter Anspielung auf die 46,8 Millionen Tests, die im Rahmen des Programms „Alles Gurgelt“ in der Bundeshauptstadt durchgeführt und mit Lead Horizon abgerechnet wurden. Die ÖVP verlange vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (ÖVP) „lückenlose Aufklärung, weil es nicht nur um zig Millionen Euro an Steuergeld geht, sondern auch um die Gesundheit der Bevölkerung“.

„Gravierende Infektionsrisiken“

Von der Staatsanwaltschaft untersucht wird auch der Umgang von Lead Horizon mit der Sicherheit der eigenen Tests. Als Mitte 2022 überlegt wurde, die Pufferflüssigkeit im Probenröhrchen mit dem roten Deckel einzusparen, äußerte Virologe Steininger bei der Generalversammlung heftige Zweifel. Laut ORF befürchtete Steininger, die zu erwartende Virusstabilität sei deutlich unterschiedlich, wenn das Gurgelat in phosphatgepufferte Salzlösung (PBS-Puffer), Kochsalzlösung oder ein leeres Röhrchen gespuckt werde. Es bestünde „die Gefahr, dass Testergebnisse 'falsch-negativ' ausfallen könnten (d.h. getestete Personen einen negativen Corona-Test erhalten, obwohl sie tatsächlich positiv sind, Anm.). Hieraus können gravierende Infektionsrisiken resultieren.“ Dennoch sei es zur Umstellung gekommen. Seit Jänner 2023 würden die Tests nicht mehr mit einem aufwendigen und teuren PBS-Puffer ausgeliefert, sondern mit einer herkömmlichen Kochsalzlösung. Zwei Millionen Testkits sind laut Unternehmensangaben seither ausgeliefert worden.

Dazu merkte Lead Horizon in der Stellungnahme an: „Es befand sich zu jeder Zeit eine Pufferlösung im Testkit. Die Stabilisierungswerte mit der neuen Pufferlösung sind nachweislich (Studienergebnisse) ident oder besser.“

Der Verdächtige bestreitet laut ORF alle Vorwürfe und nennt sie „haltlos“. Er spricht von internen Streits. Das Wiener Testprogramm zeichnete eine Erfolgsgeschichte. Die Testkits hat das Start-up Lead Horizon entwickelt und hergestellt, ausgewertet werden die Proben in den Laboren der Firma Lifebrain.

Lead Horizon Testkit
Die Lead Horizon Testkits, mit denen gegurgelt wurde, waren während der Corona-Pandemie allgegenwärtig.
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com