Sterbehilfe

Frankreichs Debatte über ein würdiges Ende

Frankreich befindet sich in momentan in einer Debatte über ein würdiges Lebensende. Präsident Emmanuel Macron will bis zum Sommer ein neues Gesetz auf den Weg bringen. Bisher lässt er offen, ob dies auch den Weg zu aktiver Sterbehilfe frei machen wird. Am Montag überreichte ihm ein Bürgerrat seine Empfehlungen dazu. Ein Überblick über aktuelle Fragestellungen.

red/Agenturen

Wie ist derzeit die Rechtslage in Frankreich?

In Frankreich ist aktive Sterbehilfe verboten. In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurden die Regeln aber mehrfach überarbeitet. Seit 2002 haben Patient:innen das Recht, eine Behandlung abzulehnen. 2005 wurde festgelegt, dass Ärzt:innen unheilbar kranke Patient:innen sterben lassen dürfen, indem sie auf Wunsch des Kranken nutzlose oder künstlich lebensverlängernde Behandlungen einstellen. Dieses Gesetz wurde 2016 zuletzt ergänzt. Seitdem dürfen Ärzt:innen unheilbar Kranke im Endstadium tief betäuben und dabei deren Tod in Kauf nehmen. Ein Gesetzesvorschlag, der aktive Sterbehilfe ermöglichen sollte, wurde 2021 abgelehnt.

Warum widmet sich Macron diesem Thema?

Kritiker werfen dem Präsidenten vor, mit dem kontroversen Thema einer möglichen Erlaubnis zur Sterbehilfe von der sozialen Krise infolge der Pensionsreform ablenken zu wollen. Tatsächlich hatte Macron bereits im Wahlkampf für seine zweite Amtszeit angekündigt, einen Bürgerrat zu dem Thema einzurichten. Dieser sollte sich mit der Frage befassen, ob das Gesetz von 2016 überarbeitet werden müsse.

Es ist aber anzunehmen, dass Macron in seiner letzten Amtszeit eine große gesellschaftliche Reform auf den Weg bringen will, die anschließend mit seinem Namen verbunden bleibt - ähnlich seinem Vorgänger François Hollande, der 2013 nach langen Debatten die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare durchgesetzt hat. Laut einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage befürworten 70 Prozent der Franzosen aktive Sterbehilfe.

Macron hat seine eigene Meinung zum Thema Sterbehilfe bisher nicht öffentlich geäußert. Er wies mehrfach darauf hin, dass das Thema sehr komplex sei und seine Meinung sich noch entwickeln könne.

Für Macron ist es zudem eine Gelegenheit, das Format des Bürgerrats zu nutzen. Der Rat umfasst 184 durch Los bestimmte Bürger, die nach monatelangen Debatten am Sonntag ihre Empfehlungen vorgestellt haben.

Was schlägt der Bürgerrat vor?

Der Bürgerrat spricht sich nahezu einstimmig dafür aus, das aktuelle Gesetz zu überarbeiten. In erster Linie solle jeder ein einklagbares Recht auf Palliativmedizin erhalten. Dabei geht es darum, schwer kranken Menschen Schmerzen zu stillen und ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Dies sollte in allen Krankenhäusern und Altenheimen möglich sein. Dazu müsse das Budget aufgestockt und die Ausbildung des Pflegepersonals angepasst werden, heißt es in dem Bericht.

Der Bürgerrat empfiehlt auch, unter strengen Bedingungen aktive Sterbehilfe zuzulassen. Allerdings haben dafür nur etwa Dreiviertel der Mitglieder gestimmt. Sterbehilfe soll demnach erlaubt werden, wenn die Patient:innen unheilbar krank ist, sich frei dazu entscheiden und wenn sie dabei gut begleitet werden. Die Gegner dieser Empfehlung verweisen darauf, dass sich Menschen zur Sterbehilfe gedrängt fühlen könnten, weil sie isoliert sind oder sich als Last für ihre Umgebung empfinden.

Der Bürgerrat spricht sich dafür aus, in erster Linie Beihilfe zum Suizid zuzulassen und die aktive Sterbehilfe auf Patient:innen zu begrenzen, die den Akt selber nicht ausführen können. Das medizinische Personal soll Gewissensgründe gelten machen können.

Wie geht es weiter?

Macron hatte zuvor betont, dass die Empfehlungen des Bürgerrats nicht direkt in die Gesetzgebung einfließen sollten. Sie dienten vielmehr dazu, die parlamentarische Debatte anzureichern. Der Präsident kündigte am Montag einen Gesetzesvorschlag bis zum Ende des Sommers an. Es ist nicht absehbar, ob damit auch der Weg zur aktiven Sterbehilfe frei gemacht werden soll. Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen kündigte bereits an, gegen ein solches Gesetz zu stimmen.

 

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Emmanuel Macron
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will bis Sommer ein neues Gesetz rund um die Sterbehilfe umgesetzt haben.
APA_ LUDOVIC MARIN / AFP / picturedesk.com