Ärzt:innen und Impfpflicht

Gesetz mit vielen Fragezeichen

Vergangene Woche fand an der MedUni Wien ein (hybrides) Symposium rund um das Thema Impfpflichtgesetz statt. Unter anderem gehörten Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie an der MedUni Wien und Ulrich Körtner, Leiter des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien, zu den Vortragenden. Johannes Zahrl, Jurist und Kammeramtsdirektor der Österreichischen Ärztekammer, sprach in seiner Keynote über die Rolle der Ärzt:innen rund um das neue Gesetz. Ein Einblick, was das Gesetz in der Praxis bedeuten könnte.

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Eins vorweg: Die Hoffnungen, einen detaillierten, umfassenden sowie hieb- und stichfesten Überblick bieten zu können, enttäuschte Johannes Zahrl gleich anfangs, „denn beim Durcharbeiten des recht umfangreichen Gesetzes habe ich feststellen müssen, viele der für Ärzt:innen interessanten Fragestellen bleiben noch mit einem Fragezeichen versehen. Die Verordnungen dafür sind schlicht noch nicht bekannt.“

Was jedenfalls bereits bekannt ist, sind die Ausnahmen vom Impfpflichtgesetz für über 18-Jährige, die da wären:

  • Schwangere
  • Personen, die nicht ohne konkrete und ernstliche Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden können, bei denen aus medizinischen Gründen eine Immunantwort auf eine Impfung gegen COVID-19 nicht zu erwarten ist oder die nach mehrmaliger Impfung gegen COVID-19 keine Immunantwort auf die Impfung ausgebildet haben
  • sowie Personen, die eine bestätigte Infektion mit SARS-CoV2 überstanden haben, für die Dauer von 180 Tagen ab dem Tag der Probenentnahme


Der springende Punkt dabei ist für Zahrl, „wer denn diese Ausnahmen feststellt und wie“: Vorgesehen war eine ärztliche Bestätigung, die von Allgemeinmedizinern und anderen Vertragsärzten aus den Fächern Internistische Sonderfächer, Psychiatrie, Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie Kinder- und Jugendärzte und den Amtsärzten ausgestellt werden kann. „Hier gab es allerdings einen relativ lauten Aufschrei seitens der Ärztekammer, denn erstens, warum reduziert man das Prozedere auf die Vertragsärzte? Wir wissen etwa bei den Gynäkologen, dass es hier weit mehr Wahlärzte gibt. Und zweitens, was wir als viel gröberes Problem erachtet haben: Es kommt für mich derzeit zu einer Verkehrung der Werte.“

„Massive persönliche Probleme“ befürchtet

Zahrl erläuterte dann die für ihn unfassbaren Zustände, dass Helfende, Ärzt:innen, Angehörige des Gesundheitspersonals, beschimpft werden oder als „Verbündete der Pharmaindustrie“ bezeichnet werden, „sogar noch im Krankenhaus nach einer Behandlung gegen Covid“ wie er schildert. „Wir haben hier in Konsequenz befürchtet, dass Ärzt:innen, die sich weigern, Atteste für eine Impfbefreiung auszustellen, massiv persönlich angefeindet werden und Probleme bekommen.“ 

Ein Hauptgrund für das Veto der Kammer war also die wachsende Radikalisierung bestimmter Gruppen gegen Mediziner:innen. Nun sind tatsächlich andere Gruppierungen als ursprünglich geplant für die Ausstellung der Atteste in Sachen Impfpflichtbefreiung zuständig, nämlich 

  • fachlich geeignete Ambulanzen von Krankenanstalten für die dort in Behandlung befindlichen Patient:innen
  • Amtsärzte und
  • Epidemieärzte


Letztgenannte sind übrigens erst durch die Novellierung des bekanntlich veralten Epidemiegesetzes aus 1950 aktuell geworden. Ärzt:innen können sich freiwillig für diese Aufgabe melden, werden dann durch einen entsprechenden behördlichen Akt zu Epidemieärzten ernannt und sind für eine bestimmte Dauer den Amtsärzten gleichgestellt. Übrigens bedarf es einer Datenverschneidung aus dem Melderegister, dem zentralen Impfregister und dem Epidemiologischen Meldesystem, damit eindeutig festgestellt werden kann, wer der Impfpflicht nicht nachkommt, aus welchem Gründen auch immer.

Nota bene: Laut Informationen auf der Website des Sozialministeriums „sind genesene Personen, die für 180 Tage ab dem Tag der Probennahme des positiven PCR-Tests von der COVID-19-Impfpflicht ausgenommen sind, aufgrund ihres Eintrags in das Epidemiologische Meldesystem (EMS) beim Datenabgleich berücksichtigt.“ Ärzt:innen haben in diesem Fall also keine zusätzlichen Handlungen zu setzen.

Johannes Zahrl betont in diesem Zusammenhang, dass das Gesetz „hier eine besondere Mitwirkungspflicht der Probanden vorsieht. Sie haben sämtliche Befunde vorzulegen, die zu dieser Ausnahmeerlaubnis führen, und es ist wichtig, dass es hier eben nicht um Gutachten, sondern um Befunde geht. Das heißt, man geht zu seiner Ärztin, zu seinem Arzt und ersucht um Ausdrucke der betreffenden Befunde für ein bestimmtes Krankheitsbild.“ Das wird beim Amts- oder Epidemiearzt beziehungsweise in der Ambulanz eingereicht und erst dort gibt es dann das Gutachten, das die Patient:innen von der Impfpflicht befreit. Ein Spezialfall sind schwangere Frauen, denn „sie brauchen nicht nur den Mutter-Kind-Pass, der ja an sich schon ein Dokument ist, sondern eine Bestätigung der Schwangerschaft ihres Gynäkologen,“ so Zahrl.

Der Paragraf 55 und seine Besonderheit

In der Warteschleife ist momentan allerdings noch die Definition der ärztlichen Atteste betreffend formaler Mindestvoraussetzung, Gültigkeitsdauer und Mindestinhalten; dieser Verordnungsentwurf ist noch im Werden. „Mutmaßungen darüber hinsichtlich dessen, was das Ärztegesetz grundsätzlich über ärztliche Atteste aussagt, kann man natürlich treffen“ so Zahrl. So gilt als zentrale Norm im Ärztegesetz: Atteste nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung zu bestätigenden Tatsachen und lege artis, „also das was quasi unter der Wiener Klausel `na no na ned´ subsumiert werden kann“, so das Fazit des Juristen. Im Ärztegesetz kommt hier § 55 zum Tragen, der im Wortlaut heißt: „Ärztliche Zeugnisse: Ein Arzt darf ärztliche Zeugnisse nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen ausstellen.“ Dieser Paragraf ist übrigens auf Amtsärzte und in dem Fall auch Epidemieärzte nicht anwendbar. 

Eine gewisse Konkretisierung müssten die Atteste aber auf jeden Fall erfahren, weist Zahrl auf die Erfahrung mit den Maskenbefreiungsattesten hin: Individualisierte Angaben zum Gesundheitszustand, Symptome und Medikamentation sind wesentlich. Die Landesverwaltungsgerichte seine hier jedenfalls einer einhelligen Meinung: Formularmäßige Gutachten gelten nur sehr eingeschränkt. Rund um das Impfpflichtgesetz gelten sehr hohe Anforderungen, die bei der Masse an Gutachten erst einmal eingehalten werden müssen.

Zu beachten ist zudem die so genannte vierte Covid-19-Maßnahmenverordnung, denn hier sind Bestätigungen zur Ausnahme des Impfpflichtgesetzes noch auszustellen von „in Österreich oder dem EWR (Europäischen Wirtschaftsraum, Anm.d. Red.) zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Ärzt:innen“. Es bedürfe hier einer dringenden Homogenisierung und einer Angleichung an das Impfpflichtgesetz, wobei Zahrl diese Sanierung in Bälde erwartet.

Sozialministerium

Fragezeichen
Viele Fragen rund um das Impfpflichtgesetz sind noch offen.
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