Praevenire Gesundheitstage

Immer mehr Krebsmedizin notwendig

Rund 380.000 Menschen leben in Österreich mit einer Krebsdiagnose. Die Zahl wird sich durch die demografische Entwicklung und die verbesserten Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten noch deutlich erhöhen. Zentrumsbildung und eine abgestufte Versorgung können sowohl qualitativ als auch ökonomisch hilfreich sein, sagte am Dienstag bei den Praevenire Gesundheitsgesprächen IHS-Gesundheitsökonom Thomas Czypionka.

red/Agenturen

„Die Gesamtinzidenz (Krebs-Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner und Jahr; Anm.) ist im Ansteigen begriffen. Die Todesfälle durch Krebs sind bei Männern und Frauen zwischen 1985 und 2020 rückläufig gewesen“, erklärte der Experte vom Institut für Höhere Studien in Wien. Die österreichische Gesellschaft und die politisch Verantwortlichen haben sich jedenfalls auf wachsende Aufwendungen im Gesundheitsbereich und speziell in der Onkologie einzustellen. Czypionka: „Die Gesundheitsausgaben sind zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2019 um 40 Prozent gestiegen, das Bruttoinlandsprodukt um 20 Prozent.“

Deutlich anders sah die Entwicklung in der Onkologie aus, wie der IHS-Gesundheitsökonom darstellte. Bei den Spitalsleistungen (LKF-Punkte) kam es im gleichen Zeitraum ohne Onkologie zu einer Steigerung um 57 Prozent. Die Krankenhausleistungen für Krebspatienten erhöhten sich hingegen um 395 Prozent. Wirksam seien einerseits die Demografie mit einer altersbedingten Zunahme von Krebserkrankungen, andererseits aber auch die Innovationen in der Onkologie. „Neue Therapien sind zumeist teurer, aber auch wirksamer. Mehr Patient:innen überleben. Krebs wird zunehmend zu einer chronischen Erkrankung. Das macht Dauertherapien notwendig“, fasste der Gesundheitsökonom die Sachlage zusammen.

Überproportionalen Leistungsinanspruchnahme erwartet

Auf diese Entwicklung sollte laut Czypionka in mehrfacher Hinsicht reagiert werden: Einerseits sollten Innovationen genutzt, andererseits das Gesundheitssystem an die zukünftigen Herausforderungen angepasst werden. „Wir müssen mit einer überproportionalen Leistungsinanspruchnahme (in der Onkologie; Anm.) rechnen. Auch für die Onkologie wurde eine 'Volume-Outcome-Beziehung‘ (mehr behandelte Patient:innen an einem Zentrum, bessere Behandlungsergebnisse; Anm.) bestätigt. Wir brauchen eine abgestufte Versorgung. Zentren sollten Diagnose, Therapieentscheidung und Therapiesteuerung übernehmen.“

Darauf sollten dann eng verknüpfte Netzwerke von Allgemeinmedizinern und Fachärzten folgen. „Telemonitoring kann zu einer Verringerung der Behandlungslast führen und Transportprobleme vermeiden“, erklärte der IHS-Gesundheitsökonom. Nur mit einem Gesamtkonzept könnten die Herausforderungen bei den Krebsleiden am besten bewältigt werden.

Skeptisch ist der Salzburger Onkologe Richard Greil (Klinik für Innere Medizin III/LKH Salzburg). Ohne gleichzeitige klinische Forschung sei eine Onkologie der Zukunft an Krankenhäusern eigentlich nicht mehr durchführbar, erklärte er: „Klinische Studien sind wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, in Zukunft eine hoch qualitative Versorgung von Patient:innen sicherzustellen.“ Hier müsse es klare Schritte der Politik geben, diesen Bereich zu fördern".

In Großbritannien, so Greil, sei zwischen 2017 die Zahl der klinischen Studien um 44 Prozent zurückgegangen, ebenso die Zahl der involvierten Patient:innen. Laut wissenschaftlichen Studien erfahren Probanden in solchen Projekten eine bessere Behandlung als in der sonstigen klinischen Routine. Laut dem Salzburger Onkologen ist die westliche Welt dabei, Boden gegenüber China zu verlieren.