Wasserknappheit: Abwasser für Landwirtschaft - aber nicht in Österreich

Zunehmende Wasserknappheit in Europa veranlasst die Europäische Union, die Wiederverwertung in den Blick zu nehmen: Eine Verordnung, die Mindestanforderungen für die Wiederverwendung von Wasser für landwirtschaftliche Bewässerung vorgibt, erlangt mit 26. Juni in den EU-Mitgliedsstaaten Gültigkeit. Österreich nutzt die Opt-out-Option und wird sie nicht umsetzen, wie es aus dem Landwirtschaftsministerium heißt.

red/Agenturen

Ziel der verkürzt auch als „Water Reuse Regulation“ bezeichneten Verordnung ist es, u. a. Standards für Aufbereitung und Qualität des wiederverwendeten Wassers zu vereinheitlichen und somit auch Lebensmittelhygiene, aber auch gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Agrarmarkt sicherzustellen. "Wir werden der Kommission mitteilen, dass wir die Wiederverwendung von geklärten Abwässern aus kommunalen Kläranlagen für landwirtschaftliche Zwecke nicht umsetzen“, sagt Günter Liebel, Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium.

Opt-out-Option

Es wird damit gerechnet, dass mehrere EU-Länder die Opt-out-Option in Anspruch nehmen. Grund für die Bedenken mancher Mitgliedsstaaten sind angeblich unzureichende Regelungen, aber auch Haftungsfragen. Denn es braucht einen Provider, der die Abwässer von der Kläranlage übernimmt, aufbereitet und an die Landwirtschaft weitergibt.

Die Bedenken teilt Norbert Kreuzinger von der Technischen Universität (TU) Wien nicht, aber: „Es gibt hier alles in allem derzeit noch wenig Motive, sich mit der Wiederverwendungsthematik in der Landwirtschaft zu beschäftigen“, sagt der Forscher des Bereiches Wassergütewirtschaft gegenüber der APA.

Dafür sprechen auch die offiziellen Zahlen: Vier Prozent des gesamten Wasserbedarfs entfallen auf die hierzulande großteils Niederschlags-gespeiste Landwirtschaft, die für Bewässerung 69 Mio. Kubikmeter und für Viehhaltung 55 Mio. Kubikmeter zu 95 Prozent aus dem Grundwasser entnimmt. Die Notwendigkeit zur Bewässerung ist regional im niederschlagsarmen Osten des Bundesgebietes - etwa in Marchfeld, Seewinkel und Weinviertel - sowie saisonal sehr konzentriert und könnte sich laut einer Studie des Landwirtschaftsministeriums bis 2050 aber beinahe verdoppeln.

Veränderungen schrittweise und langfristig angehen

„Ob in Bezug auf das Klimathema oder in Bezug auf Wasser, man muss Veränderungen schrittweise und langfristig angehen. Man kann nicht von heute auf morgen den Schalter umlegen und erwarten, dass Lösungen sofort verfügbar sind“, warnt Kreuzinger vor einer zu starken Zurückhaltung beim Thema. "Das Problembewusstsein nimmt zu. Man beschäftigt sich schon vermehrt mit dem Thema, dass das Wasser knapper wird“, sagt Reinhard Nolz vom Institut für Bodenphysik und landeskulturelle Wasserwirtschaft der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien: „Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass es regional teilweise schon zu Nutzungskonflikten und medial ausgetragenen Diskussionen gekommen ist.“ Der Anstieg der Temperaturen habe zu einer höheren Verdunstung und einem höheren Wasserbedarf geführt.

Es gibt einige mögliche Beiträge zur Schonung der Ressource Wasser im Agrarbereich, etwa effizientere Bewässerung durch verbesserte Informationsgrundlagen, Einsatz digitaler Technologien, Verlustvermeidung, Wechsel auf trockenheitsresistente Kulturen, Anpassung der Fruchtfolge bis zur Beschattung durch Photovoltaik-Anlagen.

Sorgsamerer Umgang wegen Klimawandel

Doch angesichts Klimawandel und ausgeprägteren Trockenzeiten stellt sich vermehrt die Frage nach dem sorgsamen Umgang mit Wasser. Es gehe vor allem auch ums Wassermanagement und darum, den räumlichen Bedarf mit der Verfügbarkeit sowie konkurrierenden Nutzungskonflikten in Einklang zu bringen, sagt Kreuzinger. „Die Herausforderungen im Kontext Nexus Wasser, Energie und Ernährung, also einer entsprechenden kooperativen, politisch geregelten Abstimmung z. B. zwischen Wasserversorgern, Wasserkraftwerksbetreibern, landwirtschaftlichen Betrieben und zunehmend auch dem Schutz von Biodiversität, stellen sich immer stärker auch in Österreich“, erklärt Daniela Fuchs-Hanusch, Siedlungswasserwirtschafterin der TU Graz, im Gespräch mit der APA.

Die EU-Verordnung über Mindestanforderungen für Wasserwiederverwendung in der Landwirtschaft basiert u.a. auf Schätzungen, dass in der EU das Potenzial der Nutzung von wiederaufbereitetem Wasser rund sechsmal höher liegt als derzeit. Die Verordnung wurde schon unter der österreichischen Ratspräsidentschaft 2018 verhandelt und 2020 beschlossen. Laut Landwirtschaftsministerium werde nun interessiert verfolgt, wie sich die Situation in Europa weiterentwickelt, welche technischen Möglichkeiten es gibt, wie teilnehmende Länder dies umsetzen und welche Investitionen dafür notwendig sind.

Keine große Überraschung ist aufgrund des hierzulande verfügbaren „Wasserschatzes“, dass man große Forschungsprojekte oder gar Leuchtturmprojekte zu dem Thema Wasserwiederverwendung im Bereich Landwirtschaft vergeblich sucht. „Mit dieser neuen Situation und mit der Aussicht, dass es in Österreich angewendet werden könnte, bin ich fast überzeugt, dass es da Studien oder Forschungsprojekte geben wird“, so Nolz über heimische Forschungsansätze in diesem Bereich.