Wiener Ärztekammer: 500 neue Stellen machen Kassenmedizin nicht attraktiver

„Mit der bloßen Ankündigung, 500 neue Kassenstellen in Österreich zu implementieren, ist das Versorgungsproblem weder in den Spitälern noch im niedergelassenen Bereich gelöst“. Mit diesen Worten reagiert Erik Randall Huber, Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, auf eine entsprechende Ansage von Gesundheitsminister Johannes Rauch am vergangenen Wochenende.

red

„Was bringen Hunderte Stellen mehr, wenn gleichzeitig in Wien allein in der Allgemeinmedizin 48 Kassenstellen offen sind? Das ist absurd. Was wir brauchen, sind attraktivere Rahmenbedingungen und Anreize, damit die Kollegen in das System einsteigen“, so Huber in Richtung Politik und Sozialversicherung laut Aussendung am Mittwoch.

Die Liste an notwendigen Verbesserungen sei lang - und nicht neu: „Eine adäquate Honorierung der Gesprächsmedizin und administrativer Tätigkeiten wie der Durchsicht von Fremdbefunden außerhalb der Ordinationszeiten gehört jedenfalls dazu“, sagt Kambiz Modarressy, stv. Sektionsobmann Allgemeinmedizin in der Ärztekammer für Wien. „Wir haben bald mehr Mediziner:innen im Kassensystem als männliche Kollegen - leider sind die Rahmenbedingungen aber wie ein enges, verstaubtes Korsett. Sie wurden seit Jahrzehnten nicht verbessert. Familie und Beruf sind nach wie vor schwer unter einen Hut zu bringen“, schildert Naghme Kamaleyan-Schmied, Hausärztin und stv. Obfrau der Kurie niedergelassene Ärzte der Ärztekammer für Wien, aus der Praxis. Der Kassenvertrag berge alle Risiken und Pflichten der Selbstständigkeit - ohne aber die Vorteile ebendieser zu haben.

Im fachärztlichen Bereich gehe es um die Modernisierung des Leistungskatalogs. Konkret sind damit Behandlungen gemeint, die derzeit nur in Spitalsambulanzen angeboten werden, aber genauso gut in der Niederlassung erbracht werden könnten. Der Bogen spannt sich hier von der Stoßwellentherapie zur Nierensteinzertrümmerung über spezielle Verfahren der Prostatabiopsie zur Krebsabklärung in der Urologie bis hin zu Leistungen in der Kardiologie, etwa Routinekontrollen bei Patient:innen mit eingesetztem Defibrillator oder Schrittmacher. Was es aber bräuchte, sind entsprechende Tarifpositionen.  

Flexiblere und modernere Versorgungsformen nötig

Aber auch die Arbeitsbedingungen als solche sind reformbedürftig: „Die Kollegen wollen moderne, zeitgemäße Versorgungsformen, die auch eine entsprechende Work-Life-Balance ermöglichen“, ergänzt Huber. Bestes Beispiel: Das Konzept für kindermedizinische Zentren und Kinder-Primärversorgungseinheiten, das kürzlich gemeinsam mit der Österreichischen Gesundheitskasse präsentiert wurde. Neun Standorte in Wien sind im Rahmen dieses Pilotprojekts, das in Österreich einzigartig ist, ausgeschrieben. Das Interesse der Ärzt:innen an dem neuen Modell ist enorm. Generell bedarf es aus Sicht der Ärztekammer zudem flexiblerer Möglichkeiten bei der Anstellung weiterer Ärzt:innen, wie dies in Ambulatorien üblich ist. „Eine andere Maßnahme, die schnell umzusetzen wäre und die Arbeitsbedingungen wie auch die Versorgung der Patient:innen deutlich verbessern könnte, wäre das Parkpickerl für die Kollegen“, ergänzt Kamaleyan-Schmied. 

Fazit: Ohne einer tiefgreifenden Veränderung und Attraktivierung der Rahmen- und Arbeitsbedingungen würden viele der neu in Aussicht gestellten Kassenstellen wohl unbesetzt bleiben, warnt Huber abschließend.

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Die Wiener Ärztekammer habe in diesem Zusammenhang wiederholt Vorschläge gemacht, wie im fachärztlichen Bereich Behandlungen, die derzeit nur in Spitalsambulanzen angeboten werden, genauso gut in der Niederlassung erbracht werden könnten.
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