Alkoholassoziierte Lebererkrankung: Mechanismus für Entwicklung neuer Therapien
Alkoholbedingte Lebererkrankungen zählen zu den weltweit häufigsten Ursachen für Morbidität und Mortalität. Trotz großer Fortschritte in der Therapie stellt die frühzeitige Lebertransplantation nach wie vor die einzige Möglichkeit der Heilung dar. Ein Team um Tim Hendrikx vom Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien hat nun einen neuen Mechanismus entdeckt, der bei den betroffenen Patient:innen zum Fortschreiten der Erkrankung beiträgt. Mit dem besseren Verständnis der molekularen Hintergründe legen die Forscher:innen den Grundstein für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden.
Im Rahmen ihrer Studie erkannten die Forscher:innen der MedUni Wien in Kooperation mit Kolleg:innen der University of California San Diego die bisher unbekannte Funktion des sogenannten polymeren Immunglobulinrezeptors (pIgR) bei alkoholbedingten Lebererkrankungen. Wie sich bei den präklinischen Untersuchungen herausstellte, kommt der Absonderung von bestimmten Antikörpern (IgA) im Darm über den spezialisierten Immunbaustein pIgR in der Leber eine wesentliche Rolle zu, um vor alkoholinduzierten Leberschäden zu schützen.
Die Entwicklung der alkoholbedingten Lebererkrankung ist durch eine erhöhte Darmdurchlässigkeit gekennzeichnet, die dazu führt, dass Bakterien (und ihre Produkte) aus dem Darm in die Leber eindringen und dort eine Entzündungsreaktion auslösen. Eine wichtige Strategie zum Schutz gegen eindringende Krankheitserreger ist die Sekretion von Immunglobulin A (IgA) im Darm. Der IgA-Spiegel im Darm wird durch den polymeren pIgR reguliert, der IgA bindet, transportiert und an die innere Darmschicht (Darmlumen) abgibt.
Vielversprechender Ansatzpunkt für neue Therapie
„Unsere Studie zeigt, dass Patient:innen mit alkoholassoziierter Hepatitis eine Anhäufung von pIgR und IgA in der Leber aufweisen, was auf Fehler beim IgA-Transport und der IgA- Sekretion hinweist“, erläutert Erstautor Tim Hendrikx vom Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien ein Detail aus der Studie. Mit Hilfe mehrerer Tiermodelle wiesen die Forscher:innen nach, dass niedrige IgA-Spiegel im Darm von Mäusen, denen das pIgR fehlt, durch Alkohol ausgelöste Komplikationen (Steatohepatitis) verschlimmern. Darüber hinaus enthielt das Blut der Mäuse ohne pIgR Hinweise auf eine erhöhte bakterielle Verlagerung. Weiters konnte das Team einen molekularen Mechanismus zeigen, der zur teilweisen Wiederherstellung des IgA-Spiegels im Darm führt und so die durch Alkohol ausgelöste Lebererkrankung bei Mäusen ohne pIgR lindern kann.
Alkoholbedingte Lebererkrankungen, die von leichter Steatose (Fettansammlung) bis hin zu Zirrhose reichen, zählen zu den weltweit häufigsten chronischen Lebererkrankungen und stellen eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität dar. Trotz großer Fortschritte ist die Behandlung alkoholbedingter Leberschäden nach wie vor suboptimal; eine frühzeitige Lebertransplantation stellt bis anhin die einzige Möglichkeit auf Heilung dar. Daher ist ein besseres Verständnis der molekularen Mechanismen erforderlich, die dem Fortschreiten der Krankheit zugrunde liegen.
„Unsere Daten ergeben, dass ein gestörter pIgR in der Leber die alkoholbedingte Lebererkrankung aufgrund einer gestörten antimikrobiellen Abwehr durch IgA im Darm verstärkt. Daher könnte die Erhöhung des pIgR-Spiegels in der Leber und des IgA-Spiegels im Darm einen vielversprechenden Ansatzpunkt bieten, um die Therapie von alkoholbedingten Lebererkrankungen zu verbessern“, fasst Tim Hendrikx die Relevanz der Studienergebnisse zusammen. Die Studienergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Gut“ publiziert.