Aus Tierversuchen wisse man, dass eine erhöhte Aktivität des Locus coeruleus mit angstähnlichem Verhalten unter Stresssituationen einhergehe, sagte der Neuroökonom Marcus Grüschow im Gespräch mit Keystone-SDA. Um diese bei Tieren beobachteten Zusammenhänge auch bei Menschen zu untersuchen, rekrutierte das Team insgesamt 48 Medizinstudentinnen und -studenten, die kurz vor ihrem Praktikumshalbjahr in der Notaufnahme standen - einer stressigen und psychisch belastenden Zeit. Die Auswahl dieser Gruppe war insofern hilfreich, weil chronischer Stress in Laborexperimenten nur ungenügend simuliert werden könne, teilte die Uni Zürich mit. Von den Ergebnissen berichten die Forschenden im Fachmagazin „Nature Communications“.
Kurz vor Beginn des Praktikums mussten die Probanden verschiedene Aufgaben lösen, die im Hirn unweigerlich Konflikte hervorrufen: Sie sahen beispielsweise ein Foto eines Menschen mit einem bestimmten Gesichtsausdruck (etwa lachend), darauf stand jedoch zur Verwirrung in Großbuchstaben das Wort „Angst“. Sie sollten nun so schnell als möglich in einer Reihe von Durchgängen mit verschiedenen Bildern den Gesichtsausdruck bestimmen. Währenddessen maßen die Forschenden im Magnetresonanztomografen die Hirnströme der Probanden sowie deren Pupillenerweiterung.
Kausaler Nachweis würde Möglichkeiten eröffnen
Vor und nach dem Praktikum füllten die Studienteilnehmenden außerdem einen Fragebogen aus, der Symptome von Angst und Depressionen erfasst. Resultat: Je stärker die Feuerungsrate im Locus coeruleus vor der Zeit in der Notaufnahme war, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass Angst- und Depressionssymptome während der stressreichen Zeit zunahmen. Zudem zeigte sich, dass die Pupillenerweiterung ein guter Indikator war, um die Aktivität des Locus coeruleus und gleichzeitig die individuelle Stressresilienz zu bestimmen, wie Grüschow erklärte. Unter Resilienz wird die Fähigkeit verstanden, mit Widrigkeiten und Tiefschlägen umzugehen.
Wenn die Ergebnisse auch kausal nachgewiesen werden könnten, eröffne das Möglichkeiten für die Entwicklung von Stressresilienztrainings mit Neurofeedback, so der Neuroökonom. So könnten Menschen das objektive, neurobiologische Maß im Hirnscanner oder mit Pupillenmessungen direkt zurückgemeldet bekommen, um die Aktivität des Locus coeruleus mit Übungen bewusst herunterzuregeln und so stressresilienter zu werden. „Für andere Hirnareale funktionieren solche Neurofeedback-Trainings bereits sehr gut“, sagte Grüschow.