Medikamentenengpass bei Kindern

Weiterhin Knappheit und Aktualisierung der EU-Gesetzgebung

Nach dem offenen Brief der Kinder- und Jugendärzte aus mehreren europäischen Ländern, darunter auch Österreich, an die Gesundheitsminister ihrer Länder wegen der Knappheit bei Kinderarzneimitteln, hat das österreichische Gesundheitsministerium am Wochenende reagiert.  „Der aktuelle Medikamentenmangel, der zahlreiche europäische Länder betrifft, ist nur auf EU-Ebene nachhaltig lösbar“, so das Ressort am Sonntag und verwies auf die geplante Aktualisierung der EU-Arzneimittelgesetzgebung.

red/Agenturen

Die Erneuerung umfasse unter anderem das Ziel, die Produktion von Medikamenten wieder nach Europa zu bringen und Medikamente ohne Einschränkungen verfügbar, allgemein zugänglich und leistbar zu erhalten. Damit werde auch die Versorgung mit Medikamenten in Österreich langfristig sicherstellt, hieß es.

 „Parallel arbeitet das Gesundheitsministerium bereits an der Umsetzung schnell wirksamer Maßnahmen, um die Lage zu entspannen. Dazu wurde unter anderem die magistrale Zubereitung von Kinderantibiotika mit dem Wirkstoff Amoxicillin in Apotheken vereinfacht“, betonte man in der Stellungnahme. Präparate mit dem Wirkstoff Amoxicillin dürfen nun ohne chef- und kontrollärztliche Bewilligung in Apotheken selbst zubereitet werden.  „Die Abgabe an Patient:innen ist damit einfacher und schneller möglich“, erklärte das Ministerium.

 „Um einen Engpass in Zukunft zu vermeiden, bereitet das Gesundheitsministerium auch eine Verordnung vor, um die Reserven von Medikamenten und Wirkstoffen in Österreich deutlich zu erhöhen.“ Dazu würden bereits Gespräche mit dem pharmazeutischen Großhandel und den Arzneimittelherstellern laufen.

Der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, fordert indessen eine EU-weite Medikamentenreserve. Seit über zehn Jahren nähmen die Engpässe zu. „Der Grund sind falsch gesetzte wirtschaftliche Anreize bei der Pharmaindustrie", so Montgomery. Eine EU-Reserve als „Verpflichtung für die Pharmaindustrie, überwacht und gemanagt von Staat und Ärzteschaft", lasse sich sofort schaffen, erklärte Montgomery.

Die Politik müsse mit passenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Produktionsstandorte zurück nach Europa holen. Lieferketten sollten mit mehreren Quellen für Medikamente gesetzlich abgesichert werden.

Szenario vor wenigen Jahren so nicht vorstellbar

Bayern will wegen des Problems vorübergehend die Einfuhr in Deutschland nicht zugelassener Antibiotika-Säfte für Kinder erlauben. „Wir in Bayern lassen nichts unversucht, um die Lage zu verbessern“, erklärte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Wochenende laut dpa. Der Bund hatte am Dienstag offiziell einen  „Versorgungsmangel“ bei antibiotischen Säften für Kinder festgestellt. Somit ist es den Landesbehörden nach Holetscheks Worten nun möglich, im Einzelfall vorübergehend von Vorgaben des Arzneimittelgesetzes abzuweichen. Die bayerischen Bezirksregierungen sollen dementsprechend nun in einer neuen Allgemeinverfügung befristet den Import antibiotischer Säfte erlauben, die in Deutschland nicht zugelassen oder registriert sind.  „So können die Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln“, sagte Holetschek.

Am Samstag zeigten sich die Kinder- und Jugendärzt:innen europäischer pädiatrischer Gesellschaften in dem offenen Brief aufgrund des  „erheblichen Medikamentenmangels für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen“ besorgt.  „Die Engpässe der letzten Monate führen dazu, dass weder kindgerechte noch an Therapierichtlinien ausgerichtete Behandlungen möglich sind. Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wird dadurch nachhaltig gefährdet. Noch vor wenigen Jahren war dieses Szenario eines Versorgungsmangels in unseren Ländern nicht einmal ansatzweise vorstellbar. Wir sehen die Politik in der Verantwortung, eine ausreichende Produktion und Bevorratung wichtiger Arzneimittel der pädiatrischen Grundversorgung in Europa sicherzustellen.“

„Medikamentenkosten im Vergleich zu Erwachsenene marginal“

Kinder und Jugendliche würden laut den Experten vergleichsweise wenige Medikamente brauchen, die aber nicht ohne weiteres austauschbar seien. „Insbesondere Antibiotika, Fieber- und Schmerzmittel, Medikamente gegen Asthma sowie Impfstoffe stellen den unverzichtbaren und essenziellen Basisbedarf dar“, erklärten die Mediziner. „Die Auswirkungen staatlicher Sparmaßnahmen und Preisreglementierungen treffen den Medikamentensektor für Kinder und Jugendliche besonders stark. Dabei sind die Medikamentenkosten bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu Erwachsenen marginal“, hieß es in dem Schreiben.

„Wir fordern Sie als politisch Verantwortliche auf, diese Situation Ihrer Amtsverpflichtung gemäß umgehend zu lösen! Ohne gesunde Kinder und Jugendliche ist unsere Gesellschaft nicht zukunftsfähig!“ Für Österreich unterzeichnete Daniela Karall, die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ).