„Die Screening-Darmspiegelung ist zwar eine sehr effektive, aber aufwändige Vorsorge-Untersuchung“, sagte vor kurzem Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ/Heidelberg). „Ließe sich das Intervall aber zwischen erster und zweiter Screening-Koloskopie in Abhängigkeit von den persönlichen Erkrankungsrisiken ausdehnen, ohne Abstriche bei der Sicherheit zu machen, so wäre das für alle Beteiligten ein Gewinn.“
Deutschland hat im Gegensatz zu Österreich seit 2002 ein strukturiertes Koloskopie-Krebsvorsorgeprogramm der Krankenkassen. Das hat laut wissenschaftlichen Studien zu großen Erfolgen geführt. Die altersstandardisierte Inzidenz (Häufigkeit von Neudiagnosen pro 100.000 Personen und Jahr; Anm.) von Dickdarmkarzinomen ging bei Männern (Beobachtungszeitraum: 2000 bis 2016; Anm.) um 22,5 Prozent und bei Frauen um 25,5 Prozent zurück, weil bei Entdeckung von Krebs-Vorstufen oder noch gutartigen Darmpolypen diese sofort ohne Operation entfernt werden können und damit die Gefahr eines entstehenden Karzinoms beseitigt wird.
Gleichzeitig sank in Deutschland durch allfällige Früherkennung von Dickdarmkarzinomen die Mortalität bei Männern um 35,8 Prozent und um 50,5 Prozent bei Frauen, weil die Erkrankungen eben in einem heilbaren Stadium erkannt wurden.
Weltweit größter Register
Die Frage ist aber, was der ideale Zeitraum für die Wiederholung einer Vorsorgekoloskopie ist. Um eine belastbare Grundlage für zukünftige Screening-Empfehlungen zu schaffen, werteten Brenner und seine Co-Autoren in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland die Daten des Deutschen Screening-Koloskopie-Registers aus, in das Ärzt:innen seit Einführung der Vorsorge-Darmspiegelung jede Untersuchung eintragen müssen.
In diesem weltweit größten Register dieser Art untersuchten die Heidelberger Epidemiologen die Häufigkeit von Darmkrebs und seinen Vorstufen bei 120.289 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich mindestens zehn Jahre nach ihrer ersten Screening-Koloskopie einer wiederholten Darmspiegelung unterzogen hatten. „Der Anteil an Personen mit Darmkrebs war zehn Jahre nach einer befundfreien (negatives Ergebnis; Anm.) Erstuntersuchung mit etwa 0,2 Prozent sehr niedrig und stieg auch bei Personen, deren Erstuntersuchung bereits 14 Jahre zurücklag, nicht wesentlich an“, schrieb zu der wissenschaftlichen Untersuchung, deren Ergebnisse in JAMA Internal Medicine (Zeitschrift der US-Ärztegesellschaft) erschienen sind.
Das empfohlene Untersuchungsintervall könnte jedenfalls eventuell an das persönliche Risiko bei bestimmten Personengruppen angepasst werden. Der Erstautor der Studie, Thomas Heisser, Epidemiologie am DKFZ: „Unsere Ergebnisse geben starke Hinweise darauf, dass das derzeit empfohlene Zehnjahresintervall für die Vorsorgekoloskopie bei symptomfreien Patienten mit negativer Ausgangsuntersuchung sicher ist. Außerdem legen die Ergebnisse nahe, dass das Vorsorgeintervall insbesondere bei Frauen, die bei der Erstuntersuchung jünger als 60 Jahre alt waren, verlängert werden könnte.“
Darmkrebs jährlich bei 4.600 Menschen festgestellt
Für Österreich stellt sich diese Frage aber sicher nur teilweise. Die Krebshilfe empfiehlt die erste Früherkennungskoloskopie ab dem 45. Lebensjahr. An den Untersuchungen beteiligten sich vor der Covid-19-Pandemie aber nur rund 16 Prozent der infrage kommenden Menschen, wie der Wiener Chirurg und Koloskopie-Spezialist Friedrich Weiser dazu erklärt hat. „Etwa 25 Prozent der Menschen ab dem Alter von 50 Jahren haben Darmpolypen. 40 Prozent werden bösartig oder sind zum Zeitpunkt der Entdeckung bereits bösartig, also Karzinome.“
Trotz eindeutiger Expertenempfehlungen konnte bisher in Österreich eben noch kein organisiertes Darmkrebs-Früherkennungsprogramm mit Vorsorgekoloskopien etabliert werden. Jährlich wird Darmkrebs bei rund 4.600 Menschen festgestellt. Die Zahl der jährlichen Todesfälle durch diese Erkrankung liegt bei rund 2.000.
Wie gut sich ein Screening-Programm auf die Situation rund um Kolonkarzinome auswirken kann, haben zusätzliche Analysen in Deutschland eindeutig gezeigt: So wurden im Jahr 2000 in ganz Deutschland noch 30 Prozent der Dickdarmkrebs-Neudiagnosen im nicht mehr heilbaren Spätstadium IV gestellt. 2016 war dieser Anteil um zehn Prozent (27 Prozent) geringer. Gleichzeitig stieg der Anteil der echten Dickdarmkrebsdiagnosen im durch Operation gut heilbaren Frühstadium I von 17 auf 19 Prozent.