Für ihre Forschungen griff das Team um Rainer Oberbauer, Leiter der Klinischen Abteilung für Nephrologie und Dialyse der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien, und Mariella Gregorich vom Zentrum für Medical Data Science der MedUni Wien auf Daten von großen internationalen Studien zurück. So konnten 13 routinemäßig erhobene Ausgangswerte von 4.637 18- bis 75-Jährigen mit Typ-2-Diabetes und leicht bis mäßig eingeschränkter Nierenfunktion eingeschlossen werden. Dabei wurden neben dem wichtigsten Wert zur Beurteilung der Nierenfunktion (estimated Glomerular Filtration Rate, eGFR) auch z. B. Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Rauchverhalten, Hämoglobin- und Cholesterinspiegel sowie Medikamenteneinnahme als Prädiktoren ausgewählt. Auf dieser Grundlage entwickelte das Forschungsteam ein Vorhersagemodell, das auf geprüften statistischen Methoden beruht und bereits für den klinischen Gebrauch vorbereitet wird.
„Die Stärke unserer Studie liegt gegenüber vorherigen Forschungen zum Thema nicht nur in der verfeinerten Methodologie, sondern auch in der großen Datenmenge. Damit erreichen wir eine hohe Aussagekraft“, sagt Erstautorin Mariella Gregorich. „Entsprechend erweist sich das Prognosemodell als zuverlässig und ist in der Lage, eine Abnahme der Nierenfunktion anhand des eGFR für bis zu fünf Jahre nach dem Ausgangswert vorherzusagen.“ Die Studie, deren Ergebnisse kürzlich im Fachjournal „JAMA Network Open“ publiziert wurden, hat aber auch aufgezeigt, dass der individuelle Verlauf darüber hinaus von anderen, noch unbekannten Faktoren abhängt.
Früherkennung und Therapiemanagement
Eine chronische Nierenerkrankung (Chronic Kidney Disease, CKD) ist eine der häufigsten Komplikationen von Diabetes und die häufigste Ursache eines dialysepflichtigen Nierenversagens. Da CKD im Frühstadium keine Symptome verursacht, wird sie oft erst dann erkannt, wenn die Abnahme der Nierenfunktion bereits weit fortgeschritten ist. Durch Früherkennung und ein konsequentes Therapiemanagement vor allem bei der diabetischen Stoffwechsel- und Blutdruckeinstellung können die Nierenschäden verzögert bzw. verhindert werden. Derzeit wird die Nierenfunktion bei Diabetiker:innen im Wesentlichen durch die regelmäßige Messung des eGFR überwacht. „Unser Vorhersagemodell kann die kontinuierliche Überwachung des Krankheitsverlaufs erleichtern und die Identifizierung von Personen mit einem erhöhten Risiko für eine Verschlechterung der Nierenfunktion in den nächsten Jahren ermöglichen“, streicht Studienleiter Rainer Oberbauer die große klinische Relevanz des Prognosetools hervor.