Das Forschungsteam entwickelte ein Allergie-Modell, bei dem Mäuse den Pollen von Ragweed-Pflanzen (Ambrosia artemisiifolia) ausgesetzt wurden, die in unterschiedlichen geografischen Regionen gesammelt wurden. Es zeigte sich, dass für eine allergische Reaktion bereits eine geringe Menge an Pollen (insgesamt 180 Pollenkörner) ausreichend ist, viel weniger als die hohen Pollenkonzentrationen, die während der saisonalen Blütezeit in der Luft vorzufinden sind. Durch den Klimawandel verlängert sich auch die Blütezeit in Europa, die Pflanze kann sich in nördlichere Gebiete ausbreiten. Aber auch die regionale Herkunft der Pollen bestimmt die Schwere der allergischen Reaktion. Die leitende Forscherin und Koordinatorin des Projekts „Atopica“, Michelle Epstein von der MedUni Wien, erklärt: „Unsere Studie zeigt, dass Pollen aus verschiedenen Umgebungen unterschiedlich aggressiv sein können. Also nicht nur die Pollenkonzentrationen in der Luft, sondern auch intrinsische (von innen her) Veränderungen im Zusammenhang mit der Umgebung könnten die Sensibilisierungsfähigkeit der Pollen verändern und schlimmere allergische Symptome verursachen.“
Laut Wolfram Weckwerth, Professor am Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie der Universität Wien und einer der Autor:innen, wisse man jetzt, dass sich die Aggressivität der Pollen durch Umwelteinflüsse verändert. Die nächsten Schritte seien ihm zufolge eine weitere Charakterisierung der Pollen, „insbesondere auf molekularer Ebene, um die Zusammensetzung allergener Komponenten eindeutig zu identifizieren.“ Anke Bellaire, Mitarbeiterin der Abteilung Strukturelle und Funktionelle Botanik am Institut für Botanik und Biodiversität der Universität Wien und ebenfalls eine der Autor:innen, ergänzt: „Nach diesen faszinierenden Ergebnissen wollen wir zur weiteren Charakterisierung die ultrastrukturelle subzelluläre Analyse von Ragweed-Pollen fortsetzen.“
Der Einfluss des Klimawandels und anderer Umweltfaktoren umfasst laut den Forscher:innen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Reihe anderer pollenproduzierender Pflanzen. Dieses angewendete Forschungsmodell bietet nun eine Strategie für weitere Studien, die die Auswirkungen des Klimawandels auf die Pollenallergie untersuchen.
In Europa leiden 33 Millionen an einer Ragweed-Allergie
Ragweed (Ambrosia artemisiifolia) ist eine hochallergene Pflanze, deren Pollen bei sensibilisierten Menschen Heuschnupfen verursacht sowie zu Asthma führen kann. Derzeit leiden über 33 Millionen Europäer:innen an einer solchen Allergie, und Forscher:innen prognostizieren einen Anstieg auf 77 Millionen Fälle bis 2060 aufgrund des Klimawandels. Die jährliche wirtschaftliche Belastung der EU durch allergisches Asthma wird bereits jetzt auf bis zu 151 Mrd. Euro geschätzt. Ragweed ist eine invasive Pflanze, die sich in Europa besonders schnell im französischen Rhône-Tal, in Norditalien, Ungarn und Kroatien ausbreitet. Die Saison beginnt im August und erstreckt sich über den ganzen Herbst. Mit der globalen Erwärmung wird die Saison jedoch länger und wärmere Temperaturen werden dazu führen, dass diese Pflanzen in nördlicheren Gebieten und in höheren Lagen wachsen. Eine einzelne Pflanze kann pro Saison etwa eine Milliarde Pollenkörner produzieren, die im Wind
über tausend Kilometer reisen.
Diese Ergebnisse der Studie, die im Rahmen des siebten Rahmenprogramms der Europäischen Union, Atopica (Atopische Krankheiten im Wandel des Klimas, der Landnutzung und der Luftqualität, Finanzhilfevereinbarung Nr. 282687) entstanden, sollen für Ragweed-Warnungen und Vorschriften zur Vorbeugung gegen Allergien den Weg ebnen.