„Wissenschafter der Food and Drug Administration schlagen vor, die Covid-19-Immunisierung zu einer regelmäßigen, einmal jährlichen Impfung mit einer Anpassung an die jeweils aktuellen SARS-CoV-2-Stämme zu machen, sagen die Dokumente, welche die FDA am Montag veröffentlicht hat“, schrieb der US-Pharma-Infodienst Stat.
Am Donnerstag kommt das FDA-Beratungsgremium für Vakzine und ähnliche biologische Produkte zusammen. Dort sollen die Fachleute der weiterhin mächtigsten Arzneimittelbehörde der Welt Rückmeldungen geben, ob eine solche Strategie für einen Wechsel von der Pandemie-Impfung zu einer jährlichen Vorsorge - vorzugsweise im Herbst - ihrer Meinung nach sinnvoll wäre.
In der Zukunft, so die FDA in ihrem Vorschlag, könnte für Erwachsene jeweils einmal im Jahr eine Covid-19-Impfung angebracht sein. Zwei Dosen der Vakzine könnten dann kleine Kinder, ältere Erwachsene und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem erhalten. Kleinkinder dürften ja schon in naher Zukunft zum überwiegenden Teil bis zu einer Impfung ohne jeden vorherigen Kontakt mit SARS-CoV-2 sein. Menschen ab 60 bzw. 65 Jahren zeigen bereits ein schlechteres Ansprechen auf Impfungen, dies gilt auch für Immunschwache, zum Beispiel Personen mit bestimmten Vorerkrankungen oder das Immunsystem schwächenden medizinischen Therapien.
Für eine jährliche Impfung ist jedenfalls auch das Prozedere wichtig, mit dem die Vakzine jeweils an die aktuellen Erregerstämme angepasst werden. Bei der Influenza erfolgt die Antigen-Auswahl regelmäßig durch die WHO jeweils für die Süd- und die Nordhalbkugel der Erde, für den Norden jährlich bereits in diesen Wochen. Eine völlig neue Zulassung der angepassten Vakzine durch die Arzneimittelbehörden sei nicht mehr notwendig. Angepasst wird der Impfstoff, was seinen Antigengehalt angeht. Als wahrscheinlich gilt für die USA aktuell, dass in nächster Zukunft alle Covid-19-Impfstoffe sowohl eine Komponente gegen die ursprünglich aus Wuhan stammenden SARS-CoV-2-Erreger als auch gegen Omikron-Varianten aufweisen werden.
Boosterung ebenso wirksam
Erst am vergangenen Wochenende hat die deutsche Virologin Ulrike Protzer beim Österreichischen Impftag in Wien erklärt, dass Ungeimpfte in den USA im Vergleich zu ausreichend mit den ersten Impfstoffvarianten Immunisierten eine 16-Mal höhere Spitalsaufnahmerate gezeigt hätten. Eine Boosterung mit einer neuen auf BA.4/5 angepassten Vakzine bringe noch einmal eine um das 2,7-Fache geringere Hospitalisierungsrate bei einer Durchbruchsinfektion. Der positive Effekt zeige sich auch bei den nachfolgenden Virusmutanten.
Eine noch nicht dem Peer Review-Prozess (Begutachtung durch Experten) unterworfene israelische Studie hat laut FDA-Experten gezeigt, dass die neue bivalente Vakzine (BA.4/5) als Booster bei über 65-Jährigen zu einer im Vergleich zu keiner neuerlichen Impfung um 81 Prozent geringeren Hospitalisierungsrate und zu einer um 86 Prozent geringeren Todesrate führte.
Die FDA hat zu den Fragen, die am Donnerstag diskutiert werden sollten, noch keine eigene Stellung bezogen. „Ich gehe davon aus, dass die Behörde offen für Ratschläge ist und dass sie sich selbst noch nicht ganz im Klaren ist, wie man weiter agieren sollte“, wurde zu den Fragen Paul Offit, Mitglied der Expertenkommission und Leiter des Vaccine Education Center am Kinderspital von Philadelphia von der New York Times zitiert.
Für Eric Rubin, ebenfalls Mitglied des einberufenen Gremiums und Chefredakteur der angesehensten Medizin-Fachzeitschrift der Welt (New England Journal of Medicine/Boston), ist noch vieles unklar. „Ich würde gerne wissenschaftliche Daten zum Effekt des Impfintervalls (einmal jährlich?; Anm.) sehen, zumindest aus Beobachtungsstudien“, erklärte er. Man müsse irgendwie auf der Basis von harten Informationen abschätzen können, ob man mit der angedachten Strategie in die richtige Richtung unterwegs sei. Immerhin sollte geklärt sein, ob eine einmal jährliche Impfung gegen Covid-19 für genügend Schutz in der Zukunft ausreicht. Die Empfehlungen sind auch für die Produktion der Impfstoffe von entscheidender Bedeutung.