Umweltgesundheit

Australien vor Trendumkehr?

Flammende Wälder, Dürre und sintflutartige Schauer: Die apokalyptischen Bilder aus Regionen weltweit haben sich in das Gedächtnis gebrannt, können aber noch weiter lodern. Wie extreme Wettereignisse auf die Gesundheit des Menschen wirken, untersucht die Umweltgesundheit, der sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am heutigen World Health Day verschrieben hat. In Australien, eines der Länder, das schon heute die Effekte des Klimawandels gravierend spürt, deutet sich eine Trendumkehr an mit einem besonderen Ansatz.

Claudia Tschabuschnig

Zuletzt hat die australische Regierung Anfang März im Zuge der verheerenden Überschwemmungen an der Ostküste den nationalen Notstand ausgerufen. Die häufig auftretenden verheerenden Waldbrände werden zudem laut UN-Bericht wegen des Klimawandels stark zunehmen. Bisher musste sich das Land den Vorwurf gefallen lassen nur begrenzte Anstrengung gegen den Klimawandel zu unternehmen, ihn noch nicht als Gesundheitskrise anerkannt zu haben.

Nun hat die australische Regierung angekündigt zehn Millionen Dollar (9,18 Millionen Euro) in die Forschung, genauer das Healthy Environments And Lives (HEAL) Network zu pumpen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf das Gesundheitssystem zu modellieren. 

Einbezug indigener Gruppen

Das HEAL-Netzwerk besteht aus 100 Forschern und mehr als 30 Organisationen aus allen Teilen Australiens, die sich mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen auf die Gesundheit in allen australischen Bundesstaaten und Territorien befassen. Es verbindet die Weisheiten der Aborigines und Torres-Strait-Insulaner, nachhaltige Entwicklung, Epidemiologie, Datenwissenschaft und Kommunikation. 

Mit ihrer mehr als 60.000 Jahre langen Erfahrung in der Versorgung ihres Landes und der erfolgreichen Anpassung an Umweltveränderungen sind die Aborigines und Torres Strait Islander eine wertvolle Quelle der Inspiration und des Wissens für das HEAL-Netzwerk. Der Klimawandel bietet diesen Gemeinschaften die Möglichkeit, sich mit dem Thema zu befassen und ihre Rolle zu stärken. Bislang wurden die Aborigines und Torres Strait Islander nicht ausreichend in die nationalen Gespräche über den Umweltwandel einbezogen. HEAL versucht zudem, grundlegende Ungerechtigkeiten wie den Zugang zu nachhaltigen Lösungen wie sauberer Energie und klimaresistenten Wohnungen in australischen Gemeinden zu beseitigen.

Die staatliche Förderung ist "ein Präzedenzfall", sagt der Direktor von HEAL Sotiris Vardoulakis. Vardoulakis, der auch Professor für Globale Umweltgesundheit an der Australian National University (ANU) ist, beschreibt die aktuellen Bedrohungen und das Potenzial der Umweltgesundheit in Australien.

medinlive: Herr Prof. Vardoulakis, Australien galt lange als Nachzügler bei der Klimapolitik. Kommt das Thema nun in Gang?

Vardoulakis: In Australien gab es lange Zeit nur begrenzte Fördermittel in diesem Bereich. Nun hat unser Institut substantielle Mittel über Förderungen erhalten. Es ist die größte Investition im Bereich der Umweltgesundheit, welche die Regierung in vielen Jahren getätigt hat. Das spiegelt auch den Bedarf nach Forschung in diesem Bereich wider und die Notwendigkeit mehr Forschungskapazitäten in diesem Bereich zu schaffen. Hierfür werden wir auch die Fördermittel nutzen.

medinlive: Wie steht es derzeit um die Forschungskapazitäten?

Vardoulakis: Generell brauchen wir viel mehr Kapazitäten, nicht nur in der Forschung von Umweltgesundheit, sondern auch in der Praxis. Hier geht es etwa um die Arbeit mit Gemeinschaften, um die Gefahren von Klimawandel, wie die Übertragung von Krankheiten zu verhindern. Das erfordert bestimmte Kenntnisse, nicht nur Forschungskompetenzen und quantitative Fähigkeiten, sondern auch zwischenmenschliche Kompetenz sind erforderlich, um mit den Gemeinschaften, insbesondere den Ureinwohnern Australiens, die nicht nur von Klimawandelt betroffen sind, zu arbeiten. Aborigines haben viel traditionelles Wissen, das für den Forschungsprozess hilfreich ist.

medinlive: Welche Themen untersucht ihre Forschungseinrichtung? 

Vardoulakis: In meiner Forschungsarbeit behandle ich eine Bandbreite an Aspekten der Umweltgesundheit - von Luftqualität über extreme Ereignisse, hin zu Klimawandel. Hier in Australien hatten wir kürzlich viele extreme Wetterereignisse, wie etwa Überschwemmungen und Buschbrände, die eine Folge des Klimawandels sind. Wir sehen mehr von diesen Extremereignissen. Unter den derzeitigen klimatischen Bedingungen werden wir diese Ereignisse wahrscheinlich in Zukunft noch häufiger und extremer werden. Darüber hinaus gibt es viele andere Themen in diesem Bereich, die langsam über einen längeren Zeitraum brodeln, wie Bodenverschmutzung , Wasserverschmutzung, welche ebenso eine Gefahr für die Gesundheit darstellen können. Umweltgesundheit beschäftigt sich generell damit, die Wirkung von ökologischen Gegebenheiten auf die Gesundheit zu erkennen und quantifizieren.
 
medinlive: Stichwort: Coronavirus und Zoonosen. Wo stehen wir mit unserem Wissen über die Wechselwirkungen zwischen menschlichen Eingriffen und dem Ökosystem? War die Corona-Pandemie eine Triebfeder für diese Forschung?

Vardoulakis: Wir wissen, dass Veränderungen der Umwelt Auswirkungen auf die Ausbreitung und Verteilung von Infektionskrankheiten haben. Diese Viren reagieren empfindlich auf Umwelt- und Wetterveränderungen. Umweltveränderungen, wie Luftfeuchtigkeit, Temperaturen sind alles Faktoren, die sich auf die Übertragung von Covid-19 und anderen Infektionskrankheiten auswirken. Klimawandel wirkt sich auch auf durch Moskitos übertragene Krankheiten aus, wie Dengue oder Malaria übertragen, und auch auf respiratorische Viren. Wichtig in der Übertragung von Covid19 ist die Umgebung in Innenräumen. Wir wissen, dass wir mehr lüften müssen und strengere Hygienestandards auch im privaten, aber auch in Schulen, Krankenhäusern und Universitäten, Einkaufszentren.

medinlive: Zu den wissenschaftlichen Methoden. Ist es schwer im Bereich der Umweltgesundheit den Kausalitäts-Beweis zu bringen?

Vardoulakis: Es ist herausfordernd, aber es gibt einige Methoden, um Kausalitäten festzustellen. Üblicherweise wendet man eine Reihe von Methoden, darunter Experimentelle und Statistische, an. Viele Auswirkungen von Umwelt- und Klimawandel sind multifaktoriell, also es gibt viele Faktoren, welche die Übertragung von Krankheiten oder die Entwicklung von chronischen Krankheiten beeinflussen können. 

medinlive: Und der wissenschaftlich Beweis ist dann oft problematisch, wenn es darum geht die Bedeutung des Themas bei politischen Entscheidungsträgern zu rechtfertigen?

Vardoulakis: Das ist natürlich ein Problem. Politische Entscheidungsträger stellen einige der Beweise in Frage, aber wichtig ist die politische Weichenstellungen in diesen Fragen. Das heißt: viele Maßnahmen, welche die Umwelt verbessern, haben auch andere positive Effekte auf die Gesundheit, Umwelt und Wirtschaft, also multiple benefits. Es geht nicht um die Frage der Kausalität oder des direkten Nutzens für einen bestimmten Endpunkt im Bereich der Gesundheit, sondern mehrere Vorteile für die Gesellschaft. Wenn zum Beispiel Geh- und Radwege in der Stadt ausgebaut werden, reduziert sich die Luftverschmutzung, Treibhausgasemissionen und gleichzeitig verbessern sich die körperliche Aktivität, das Herz-Kreislauf-System und die mentale Gesundheit, auch werden Städte lebenswerter. Dasselbe gilt für erneuerbare Energie, Solarenergie oder auch gesündere Ernährung, welche die Treibhausgase in der Landwirtschaft senkt.

medinlive: Wie steht es um den Zusammenhang von Umweltgesundheit und Psyche? Wird dieser Bereich vermehrt beleuchtet?

Vardoulakis: Unbedingt. Dieser Bereich wird zunehmend erforscht. Es ist zunehmend anerkannt, dass viele Umwelteinflüsse, wie Überschwemmungen, Brände und der Klimawandel allgemein, Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können. Und diese Effekte können lange anhalten. Familien, die etwa von Überschwemmungen betroffen waren, können noch lange nach dem Ereignis psychisch belastet sein. Diese Effekte sind weniger quantifizierbar, aber es ist wichtig die Forschung hier zu stärken.

Sotiris Vardoulakis ist Direktor des NHMRC Healthy Environments and Lives (HEAL) National Research Network und Professor für Global Environmental Health an der Australian National University.

HEAL hat sich zum Ziel gesetzt, ein Modell für integrierte Forschung zu sein, bei dem Wissen und Kultur der Aborigines und Torres-Strait-Insulaner respektvoll mit westlichem Wissen verbunden werden, und verfügt über eine dynamische, transparente und integrative Führungsstruktur, die künftige Forschungsleiter fördert. Eine Schlüsselkomponente des HEAL-Netzwerks ist die Entwicklung von Praxisgemeinschaften (lokale Foren für den Wissensaustausch), an denen Forscher, Praktiker, indigene und andere Gemeinschaftsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Unternehmen und politische Entscheidungsträger in allen australischen Gerichtsbarkeiten beteiligt sind. 

Die australische Ärztevereinigung (Australian Medical Association) und Doctors for the Environment Australia haben dazu aufgerufen, dass der australische Gesundheitssektor seine Kohlendioxidemissionen bis 2040 auf Null reduziert, mit einem Zwischenziel von 80 Prozent bis 2030.

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Sotiris Vardoulakis ist Direktor des NHMRC Healthy Environments and Lives (HEAL) National Research Network und Professor für Global Environmental Health
Sotiris Vardoulakis ist Direktor des NHMRC Healthy Environments and Lives (HEAL) National Research Network und Professor für Global Environmental Health an der Australian National University.
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