Meinung

Experten-Warnung vor Gefahren für klinische Forschung in Österreich

Mit kleinem finanziellen Aufwand könnte hierzulande ein drohender „Kollaps“ bei von Einzelforschern oder von kleineren akademischen Einheiten getragenen klinischen Forschungsprojekten verhindert werden. Das sagte der Klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger in Vorfeld der 30-Jahr-Feier der Österreichischen Gesellschaft für Pharmazeutische Medizin zur APA. Würden hinderliche Gebühren überdacht und die Unterstützung für interessiere Praktiker ausgebaut, könnte das Feld wachsen.

Bernhard Salzer/red

Unter den derzeit gegebenen Rahmenbedingungen drohe die Anzahl der oft auf Eigeninitiative fußenden kleineren klinischen Studien in Österreich in den kommenden Jahren auf ein Minimum zusammen zu schrumpfen, so der Vorstand der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien und Vizepräsident der Gesellschaft für Pharmazeutische Medizin (GPMed). Die Vereinigung feiert am Dienstagabend in Wien ihr 30-jähriges Bestehen, und widmet sich zu diesem Anlass der Zukunft der klinischen Forschung hierzulande.

Dass hier deutlich mehr gemacht werden könnte, monieren Vertreter des Feldes bereits seit einigen Jahren. Trotz begrüßenswerter Einzelinitiativen, wie der über 25 Millionen Euro schweren Ausschreibung zur Einrichtung von klinischen Forschungsgruppen im akademischen Bereich durch die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG), das Bildungsministerium und den Fonds Zukunft Österreich (FZÖ), seien die Aussichten in den Forschungsfeld insgesamt nicht unbedingt rosig, konstatierte Zeitlinger.

Mit den großen europäischen Ländern könne Österreich bezüglich Tests neuer Arzneimittel und Therapien schon aufgrund der Rahmenbedingungen nicht mithalten. Die größeren Firmen gehen hier vor allem in Staaten, wo es gleich zahlreiche Behandlungszentren für die jeweiligen Erkrankungen gibt, was Zugang zu ausreichend Patient:innen verspricht. In Österreich hingegen sei es mancherorts sogar noch schwierig, aufgrund vielfach mangelhafter Datenregister, in einem Krankenhaus überhaupt auszumachen, wie viele Menschen mit einem bestimmten Krankheitsbild aktuell behandelt werden, erklärte Zeitlinger.

Suboptimale Vorgaben

Gelinde gesagt nicht ideal seien auch neue europäische Vorgaben für klinische Forschung, die ab Jahresende in Kraft treten: Hier müssen alle Studienprotokolle auf einem Online-Portal öffentlich zugänglich gemacht werden. Das schrecke vor allem kleinere Firmen „ganz massiv ab“, so Zeitlinger. Andererseits ziehe dies Akteure außerhalb der EU an, die wiederum an den Protokollen interessiert sind, um sich bei eigenen Arbeiten daran zu orientieren. All das sei „nicht unbedingt ein Selektionsvorteil für Europa“.

Unter diesen Voraussetzungen sei es sehr schwierig, für Patient:innen Zugang zu neuen, innovativen Therapien zu bieten, während diese noch in Erprobung sind. Andererseits drohe die heimische Forschungscommunity so ein Stück weit außen vor bei neuen Entwicklungen zu bleiben.

Bleiben also kleinere klinische Studien, die unabhängige akademische Forschungsgruppen hierzulande durchführen wollen. Um ein Untersuchungsprotokoll einzureichen, müssen seit heuer jedoch auch für akademische Studien Gebühren in voller Höhe entrichtet werden. Das seien „einige tausend Euro“, so Zeitlinger. Im Gegensatz zu Pharmafirmen könne das für kleine Abteilungen an Kliniken schon zum Hindernis werden.

Zeitlinger warnt vor Kollaps

Bevor man um die nicht üppig verfügbaren Forschungsförderungen ansuchen kann, müsse das Vorhaben auch ein entsprechendes Ethikvotum einholen. Da sei aber bei weitem noch nicht klar, ob man als Einzelforscher überhaupt Geld erhält. Zeitlinger: „Das wird in den kommenden zwei, drei Jahren zu einem massiven Kollaps der akademischen klinischen Forschung in Österreich führen.“ Wolle man das ändern, bedürfe es bundesweit nur „ein paar hunderttausend Euro“, trotzdem konnte noch keine Lösung dafür gefunden werden.

De facto gebe es zur Förderung akademischer klinischer Forschung hierzulande mit einem Programm des Wissenschaftsfonds FWF und dem Wiener Bürgermeisterfonds auch nur zwei Stellen. Zeitlinger wünscht sich daher neben weiteren Finanzierungsoptionen, zumindest eine Person bei dem für den Bereich zuständigen „extrem zuvorkommenden“ Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), die Forscher in dem Prozess weitergehend unterstützt, sowie das Wegfallen der anfallenden Gebühren, die solchen Vorhaben leider oft den Garaus machen können.