Klima-Glossar

Wie grün ist Atomkraft?

Atomkraft ist hochumstritten. In Österreich wird die Technologie mehrheitlich abgelehnt. Gründe dafür sind in erster Linie Sicherheitsbedenken. Auch wegen der hohen Kosten galt Atomenergie lange als wenig attraktiv. Im Kampf gegen den Klimawandel erlebt die Nuklearenergie eine Renaissance. Viele sehen in der Atomkraft ein wichtiges Instrument zur Erreichung der Klimaziele, weil Atomkraftwerke im Betrieb keine CO2-Emissionen ausstoßen. Aber wie grün ist Kernkraft wirklich?

red/Agenturen

Bei der Atomkraft wird Energie aus der Bindungsenergie von Atomkernen gewonnen. Im Prozess der Kernspaltung werden Atomkerne in kleinere Teile zerlegt. Mit der dabei frei werdenden Energie wird Wasser erhitzt und in Dampf umgewandelt. Damit wird eine Dampfturbine angetrieben, die aus mechanischer Energie elektrische Energie - also Strom - erzeugt. Bei diesem Prozess werden keine CO2-Emissionen freigesetzt.

Aber Atomstrom ist dennoch nicht CO2-neutral. Treibhausgasemissionen entstehen nicht direkt bei der Stromproduktion aber in den dazugehörenden Prozessen vorher und nachher. Der Brennstoff in Atomkraftwerken ist Uran, dieses radioaktive Metall wird im Bergbau gewonnnen. Je nachdem wie die Uranvorkommen gewonnen werden - im Tagebau oder Tiefbau -, ist der Abbau von Uran unterschiedlich energieintensiv. Wenn das Uran tief im Boden liegt, wird es mittels sehr energieintensiver Laugenverfahren mit umweltschädlichen Chemikalien aus dem Boden geholt.

Das abgebaute Natururan muss anschließend angereichert werden, um es besser spaltbar zu machen. Abhängig vom Urangehalt des Erzes muss mehr oder weniger Energie für die Herstellung des Spaltmaterials eingesetzt werden. Auch die Technologie spielt eine Rolle: Während in Frankreich für die Anreicherung viel emissionsarmer Atomstrom eingesetzt wird, stammt der nötige Strom in den USA und Russland zum Teil aus Kohlekraftwerken. Die Treibhausgasbilanz von Atomstrom aus diesem Ländern ist dadurch um ein Vielfaches schlechter.

Wird der gesamte Prozess vom Uranabbau, der Anreicherung, der Herstellung der Brennelemente, dem Bau des Kraftwerks bis hin zum Abbau des Meilers und der Endlagerung der radioaktiven Stoffe miteinberechnet, dann kommt Atomkraft nach Berechnungen des Weltklimarat (⁠IPCC) auf einen CO2-Fußabdruck zwischen 3,7 bis 110 Gramm CO2-Äquivalenten pro Kilowattstunde - mit einem Median von 12 Gramm. Damit sind die Emissionen vergleichbar mit jenen von Wind- und Sonnenenergie.

In 130 Jahren kein Uran mehr vorhanden

Nuklearenergie ist also emissionsarm, anders als Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie aber nicht erneuerbar. Denn die weltweiten Uranvorkommen werden irgendwann zur Neige gehen. Es wird geschätzt, dass es bei gleichbleibendem Verbrauch von derzeit rund 60.000 Tonnen pro Jahr in rund 130 Jahren kein Uran mehr geben wird. Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass das Uran durch den Fund von bisher unentdeckten Uranlagerstätten noch hundert weitere Jahre reichen wird.

Umstritten ist die Atomkraft aber in erster Linie wegen Sicherheitsbedenken und dem ungelösten Problem der Endlagerung des radioaktiven Abfalls. Abseits dieser Bedenken sind viele Experten der Ansicht, dass ein Ausbau der Nuklearenergie zu lange dauern würde, um im Kampf gegen den Klimawandel rechtzeitig einen größeren Beitrag zu leisten.

Derzeit sind 422 Atomreaktoren in Betrieb. In den letzten drei Jahrzehnten wurden kaum neue AKWs gebaut, weshalb die Zahl der Reaktoren rückläufig ist und die Mehrheit der bestehenden Kraftwerke überaltert ist. Das Durchschnittsalter der Atomreaktoren weltweit betrug im Juli 2022 31 Jahre. In den USA, wo die meisten Kernkraftwerke stehen, waren diese durchschnittlich 41,6 Jahre alt, in Frankreich 37,1 Jahre.

Frankreich propagiert Atomkraft als grüne Energieform

Seit 1993 ging der Anteil des Atomstroms an der weltweiten Energieproduktion von 17 Prozent auf rund 10 Prozent zurück. Angesichts der langen Bauzeiten und hohen Kosten ist daher fraglich, ob ein Ausbau der Atomkraft in absehbarer Zeit zur Verringerung von Emissionen beitragen kann. Vielmehr sind zahlreiche Neubauten nötig, wenn der derzeitige Anteil der Nuklearenergie an der Stromproduktion gehalten werden soll.

Um Investitionen in die Atomkraft zu erleichtern, bemühen sich Atomkraftbefürworter - allen voran Frankreich - seit Jahren in der Europäischen Union um eine Einstufung von Atomkraft als grüne Energieform. Bereits gelungen ist dies in der europäischen Taxonomie-Verordnung, die zu Jahresbeginn 2023 in Kraft getreten ist. Seitdem gelten nach dem Klassifizierungssystem der EU Investitionen in Atomkraft als nachhaltige Wirtschaftstätigkeit. Aktuell für Debatten sorgen Pläne, dass auch mit Atomkraft erzeugter Wasserstoff in der EU unter bestimmten Bedingungen als „grün“ eingestuft werden soll.

Atomkraftwerk
Nuklearenergie ist zwar emissionsarm, aber nicht CO2-neutral.
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