Die beiden Politiker waren am Dienstag nach Helsinki gereist, um sich den digitalen Umgang im finnischen Gesundheitswesen anzusehen. „Wir haben die Reise angetreten, um ein Best-Practice-Beispiel zum Thema E-Health anzusehen“, sagte der Staatssekretär für Digitalisierung am Ende des Besuches. Und da haben sich schon einige Unterschiede zwischen Finnland und Österreich gezeigt.
„Es gibt ein unheimliches Vertrauen in Staat und Institutionen. Und damit ein unglaubliches Vertrauen, was den Umgang mit Daten betrifft“, sagte Tursky. Das beweisen auch Zahlen im Rahmen eines Besuches von FinData, die die Gesundheitsdaten zusammenträgt. Nur 211 Menschen der 5,5 Millionen starken Bevölkerung hatten sich laut Zahlen aus 2020 von dem System abgemeldet. In Österreich lehnten drei Prozent die Elektronische Gesundheitsakte ELGA ab, was rund 270.000 Personen sind.
Die ELGA, die vor zehn Jahren eingeführt wurde und als Schnittstelle zwischen Ärzt:innen sowie Patient:innen dienen sollte, sei lediglich eine Anordnung von PDF-Dateien, sagte Rauch. Die Datensuche wird zu einem Spießrutenlauf und zur Ernüchterung für jeden Anwender. Von einer Interaktion ist die ELGA weit entfernt. In Finnland ist die Situation eine völlig andere. Das nordeuropäische Land ist dünn besiedelt, da nutzen die Menschen gerne den digitalen Fortschritt. Wenn Ärzt:innen und Patient:innen in die Gesundheitsakten einsehen können, ist es auch leichter, für eine Erstdiagnose mit dem Mediziner zu chatten, ohne dass kilometerweit in eine Gesundheitseinrichtung gefahren werden muss. Terminvereinbarungen und Einholungen für Rezepte werden ebenfalls online gemacht.
„Frage des Vertrauens“
Die finnische Sozialversicherung Kela verzeichnete im Jahr 2022 76,4 Millionen Online-Einstiege für ihr Service, während es nur noch 2,2 Millionen Telefongespräche und 600.000 persönliche Termine gab. Die Daten von 6,5 Millionen Finnen - wobei u.a. auch jene im Ausland lebenden Finnen hinzugerechnet werden - sind bei Kanta (ein ähnliches System wie ELGA, Anm.) registriert. Das bedeutet eine Abdeckung der Gesundheitsdaten von 100 Prozent.
„Das Sammeln der Daten ist wichtig, damit die Dinge von verschiedenen Seiten betrachtet werden können“, sagte etwa Markku Tervahauta, Direktor von THL, dem finnischen Institut für Gesundheit und Wohlfahrt, vergleichbar mit der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). „Es ist alles eine Frage des Vertrauens“, fügte Johanna Seppänen, Direktorin von FinData, hinzu. „Und darauf müssen wir acht geben.“ Denn der Gesundheitssektor ist der von Cybercrime meist attackierte Sektor, betonte Nina Nissilä, Direktor für den Datenschutz bei Kela. Bei der Sozialversicherung arbeiten hunderte Menschen für die IT-Sicherheit.
Zugriff auf Daten auch im Ausland
Im vergangenen Mai hat die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag für Gesundheitsdaten vorgelegt, der darauf abzielt, das Potenzial dieser Daten umfassend zu erschließen. Dort soll laut Rauch auch der grenzüberschreitende Austausch dieser Daten sichergestellt werden. „Früher bin ich mit dem Auslandskrankenschein auf Reisen gegangen“, sagte der österreichische Gesundheitsminister. In Zukunft soll dann über die Digitalisierung auf diese Daten auch im Ausland zugegriffen werden könne. Eine eventuelle Behandlung in einem anderen Land soll dann auch die persönliche Akte eingespeist werden. Ob es sich dann um eine zu umzusetzende Verordnung handeln werde, wisse man noch nicht. „Aber die Europäische Kommission tendiert schon dazu, das in einen Rechtsakt zu gießen“, meinte Rauch.
Bis Ende des Jahres streben Rauch und Tursky einen ersten Fahrplan für die zukünftige Umsetzung der Digitalisierung an, um ein solches Problem, wie mit der Abfrage der Bettenbelegung in Österreichs Spitäler in der Pandemie, nicht mehr zu haben. Der Grund war „die Zersplitterung der Zuständigkeiten“, sagte Rauch. „Die Spitäler sind Landesangelegenheit und damit ist es deren Kompetenz. Und ich bin Bittsteller bei den Landesspitälern“, erklärte der Gesundheitsminister. „Steuerung in einem Gesundheitssystem geht ja nur dann, wenn ich weiß, was passiert. Also wenn ich eine Transparenz habe. Wenn ich nicht weiß, was die Datengrundlage ist, kann ich nicht steuern.“
In Finnland wurde die Digitalisierung innerhalb von fünf Jahren umgesetzt. „Das ist ambitioniert“, sagte Rauch auf die Frage, ob diese Zeitvorgabe auch in Österreich möglich wäre. „Aber wir sollten das Zeitfenster nützen, weil wir schon in einer Situation sind, jetzt auch ein paar Dinge beschleunigen zu können.“ Bis zum Ende der Legislaturperiode (Herbst 2024, Anm.) möchte man so viel wie möglich umsetzen, sagte Tursky.
Patientennutzen als Priorität
Als Resümee für die Reise nach Finnland sehen sich Rauch und Tursky weiterhin in ihrem Plan bestätigt, „den Patientennutzen in den Mittelpunkt“ zu stellen. Geringere Wartezeiten, bessere Behandlungsmöglichkeiten, die Verwendung von Apps, Chatmöglichkeiten mit medizinischem Personal, Rezeptabrufbarkeit oder die Verfügbarkeit der persönlichen Gesundheitsakte sollen damit möglich gemacht werden, sagte Rauch und fügte hinzu: „Patientennutzen first. Mein Credo ist, Digitalisierung ist kein Selbstzweck und Datensammeln ist auch kein Selbstzweck.“
Laut dem Gesundheitsminister ist es der Plan, die E-Card und die ELGA auch aufs Handy zu bekommen. „Wir müssen uns die Frage stellen, was wollen die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie es auch verwenden“, sagte Tursky. Weil dann würden die Menschen dem System auch vertrauen und es auch nützen. Potenzial sieht Rauch auch in der Effizienz der Systeme. Durch das Zusammenführen der Daten, könne man etwa viel stärker auf regionale Unterschiede reagieren. In Finnland werden die Daten auch für wissenschaftliche Auswertungen genutzt.
Kulturelle Frage
Ein großer Brocken wird allerdings, Vertrauen der Menschen in das System zu schaffen. In Finnland sei das Vertrauen „verblüffend und eine kulturelle Frage“, sagte Rauch. Dass mit den Daten sorgsam umgegangen wird und der Datenschutz hergestellt ist, sei Grundvoraussetzung. Auch die Möglichkeit eines sogenannten Opt-Out - dass man das Verwenden der persönlichen Daten ablehnt - müsse garantiert sein, sagte Rauch. „Die Finnen sind ja in einer unglaublichen Weise transparent“, befand der Gesundheitsminister. Man könne in viele Akten - etwa die Einkommensdaten - Einsicht nehmen. „Diese Kultur der Transparenz hat unmittelbar damit was zu tun, meine ich, dass es diesen Vertrauensvorschuss gibt.“
Diese Transparenz in Verwaltung, Regierung und staatlichen Organisationen, „das sollten wir uns auch überlegen“, so Rauch. „Ich glaube schon, dass je transparenter und nachvollziehbarer Prozesse sind - kontrollierbarer auch -, desto höher das Vertrauen. Insofern würde uns ein Informationsfreiheitsgesetz wahrscheinlich auch nützen, um das Vertrauen in die Regierung zu stärken.“