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Erstmals Anstellung von Ärzten bei Ärzten möglich

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und die Österreichische Ärztekammer haben sich auf eine gesamtvertragliche Vereinbarung geeinigt, die die Bedingungen für den Einsatz von Ärzten bei Ärzten gemäß Ärztegesetz regelt. Dem vorausgegangen sind lange und intensive Verhandlungsrunden.

red

Ärztekammer-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart, sprach bei einer Pressekonferenz in Alpbach von „großer Freude" über die neue Vereinbarung zur Anstellung von Ärzten bei Kassen-Vertragsärzten. „Das war ein langer Wunsch. Es ist ein Meilenstein in der Versorgung."

Der Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Alexander Biach, bezeichnete den akkordierten Vertrag als „dritten wesentlichen Baustein" für die Sicherung der Kassenmedizin, speziell der allgemeinmedizinischen Versorgung der Versicherten, nach der Vereinbarung über die Finanzierung der Lehrpraxen und den Gesamtvertrag zu den Primärversorgungseinheiten. Nicht zuletzt hätte auch die Diskussion über die wachsende Zahl der Wahlärzte parallel zu den Problemen bei der Besetzung von Kassenärztestellen den Verhandlungen zusätzlichen Schub gegeben.

Mit Finalisierung dieser Vereinbarung ergibt sich nun für Ärztinnen und Ärzte eine neue Option einer ärztlichen Tätigkeit im niedergelassenen Bereich, die diesen massiv aufwerten wird. Folgende Eckpunkte sieht die Vereinbarung vor: 

  • Ausweitung der Versorgung: Die Anstellung eines fachgleichen Arztes ist sowohl für die Aufstockung der Vertragsarztstelle und damit die Erweiterung des Leistungsspektrums (temporär oder auf Dauer) als auch für die gemeinsame Abdeckung der vorhandenen Vertragsarztstelle (vergleichbar dem Jobsharing) möglich. Bekannt gegeben werden müssen vom Vertragsarzt (Vertragsgruppenpraxis, Primärversorgungseinheit) die Zeitdauer, das Ausmaß der geplanten Anstellung sowie, wenn eine Aufstockung der Kassenstelle angestrebt wird, die geplante Steigerung der Patientenzahl und die geplanten Öffnungszeiten.
     
  • Abrechnung durch den Vertragsarzt (Vertragsgruppenpraxis, Primärversorgungseinheit): Die vom angestellten Arzt erbrachten Leistungen können mit dem Versicherungsträger im selben Ausmaß abgerechnet werden, wie dies bei Erbringung der Leistung durch den Vertragsarzt (Vertragsgruppenpraxis, Primärversorgungseinheit) möglich wäre. Die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger erfolgt ausschließlich durch den Vertragsarzt (Vertragsgruppenpraxis, Primärversorgungseinheit); der angestellte Arzt erhält das zwischen ihm und dem Vertragspartner als Dienstgeber vereinbarte Entgelt.
     
  • Unbefristete Anstellungen im Falle eines festgestellten Ärztemangels: Wenn im Rahmen der Stellenplanung zwischen der zuständigen Landesärztekammer und dem ASVG-Versicherungsträger im Versorgungsgebiet ein ungedeckter Bedarf an einer vollen oder anteiligen Kassenstelle festgestellt wird, der mangels Bewerber für die konkrete Stelle nicht durch die Ausschreibung einer Einzelpraxis oder einer Gruppenpraxis beziehungsweise eines Gruppenpraxisanteils abgedeckt werden kann, ist die Genehmigung der Anstellung unbefristet zu erteilen.
     
  • Befristete Anstellungen im Falle eines zeitlich begrenzten Zusatzbedarfs: Im Falle eines zeitlich begrenzten Zusatzbedarfs (zum Beispiel zum Abbau von Wartezeiten oder bei Teilabdeckung einer vakanten Stelle) wird die Genehmigung der Anstellung nur befristet erteilt.
     
  • Teilweise erweiterte Öffnungszeiten: Erfolgt die Anstellung zur Aufstockung der Vertragsarztstelle (Vertragsgruppenpraxis, Primärversorgungseinheit), müssen die Öffnungszeiten entsprechend angepasst werden. Erfolgt die Anstellung jedoch ohne Zusatzbedarf, gelten die bisherigen Öffnungszeiten des Vertragsarztes (Vertragsgruppenpraxis, Primärversorgungseinheit).
     
  • Alterslimit: 70 Jahre: Der anzustellende Arzt darf zum Zeitpunkt der Anstellung das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, es sei denn, Landesärztekammer und Versicherungsträger erteilen eine Ausnahmegenehmigung wegen drohender ärztlicher Unterversorgung.
     
  • Freie Arztwahl für die Patienten sichergestellt: Zur Sicherstellung der freien Arztwahl sind die regelmäßigen (wenn möglich auch aktuellen) Anwesenheitszeiten des Vertragsarztes (Gesellschafter einer Vertragsgruppenpraxis beziehungsweise Primärversorgungseinheit) und des angestellten Arztes gegenüber den Patienten transparent zu machen.

 

Beschlossen wird die Vereinbarung am 18. September 2019 von der Österreichischen Ärztekammer sowie am 1. Oktober 2019 von der Trägerkonferenz des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger. Vorbehaltlich der Beschlussfassung in den jeweiligen Gremien tritt die Vereinbarung am 1. Oktober 2019 in Kraft. 

Ausweitung der Gesundheitsversorgung 

Mit der Möglichkeit der Anstellung von Ärzten bei Ärzten sei eine kurzfristige Bedarfsabdeckung leichter möglich, die Patientenversorgung im niedergelassenen Bereich werde ausgeweitet und die Patienten könnten mit teils erweiterten Ordinationsöffnungszeiten rechnen, so Steinhart.

Auch für die Ärzteschaft selbst sieht er entscheidende Vorteile: Die Vereinbarung bilde die Wirklichkeit des Arbeitsalltags besser ab, da Teilzeitverhältnisse ermöglicht würden. Dies wiederum habe direkte Auswirkungen auf die Work-Life-Balance des Arztes. Steinhart: „Wir wissen, dass vor allem junge Kolleginnen und Kollegen dem System oft verloren gehen, weil sie zu wenig attraktive Teilzeitarbeitsmodelle vorfinden.“ Zumindest im niedergelassenen Bereich stünde nun eine „attraktive Alternative“ zur Verfügung, zum Beispiel im Falle eines Wiedereinstiegs nach einer Karenz. Ältere ordinationsführende Ärztinnen und Ärzte hätten zudem die Möglichkeit einer deutlichen Arbeitserleichterung vor ihrem Pensionsantritt.

Die Kontinuität im ärztlichen Ablauf einer Ordination sieht Steinhart durch die neue Vereinbarung nicht gefährdet. Einerseits dürfe ein Arzt im Vollzeitäquivalent von 40 Stunden höchstens ein anderes Vollzeitäquivalent einstellen (Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheiten: zwei), andererseits regle die Vereinbarung, dass der Ordinationsinhaber „maßgeblich zur persönlichen Berufsausübung in der Ordination“ verpflichtet sei, er also nicht die Hauptarbeit dem angestellten Arzt überlassen oder sich gänzlich aus dem Ordinationsbetrieb zurückziehen darf.

„Es geht um persönliche Nähe und Vertrauen“

Für Alexander Biach, den Verbandsvorsitzenden des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, ist die beste medizinische Versorgung so nah wie möglich am Wohnort ein zentraler Wunsch der Versicherten. „Es geht um persönliche Nähe, Vertrauen, die Möglichkeit zum Gespräch – da spielen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte eine wichtige Rolle.“

„Wir haben uns gefragt: Wie können wir diese medizinische Versorgung langfristig sicherstellen und der Ärzteschaft attraktive Arbeitsbedingungen schaffen? Drei Punkte sind dabei besonders wichtig: bessere Ausbildungsmöglichkeiten für Allgemeinmediziner, neue, flexiblere Versorgungsformen sowie die Möglichkeit für Ärzte, andere Ärzte anstellen zu können“, so Biach.

Österreichweit gibt es inzwischen bereits 470 Ausbildungsplätze für Jungmediziner beziehungsweise Turnusärzte in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner, 28 Primärversorgungseinheiten sind aktiv oder im Aufbau, und bis 2021 sollen es 75 sein. „Vor Kurzem haben wir auch im dritten Punkt eine Einigung mit der Ärztekammer erreicht: Es gibt einen Gesamtvertrag, mit dem die Anstellung von Ärzten bei Vertragsärzten, Vertragsgruppenpraxen und in Primärversorgungseinheiten geregelt wird.“ Eine Anstellung sei sowohl für den Zweck einer Aufstockung der Vertragsarztstelle, temporär oder auf Dauer, als auch für die gemeinsame Abdeckung einer vorhandenen Vertragsarztstelle vorgesehen. Damit werde das Jobsharing-Modell für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte erleichtert – „ein wichtiger Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, so Biach.

Johannes Steinhart
ÖÄK-Vizepräsident Johannes Steinhart betonte, dass es gerade jetzt besonders wichtig sei, dass chronische Erkrankungen in den Arztpraxen behandelt würden, bevor sich ihr Zustand verschlechtere und eine Spitalseinweisung des Patienten erforderlich werde.
Ö. Ärztekammer/APA-Fotoservice/Hetfleisch
Alexander Biach
Für Alexander Biach, den Verbandsvorsitzenden des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, ist die beste medizinische Versorgung so nah wie möglich am Wohnort ein zentraler Wunsch der Versicherten.
Ö. Ärztekammer/APA-Fotoservice/Hetfleisch