Gesetz zum Schutz intergeschlechtlicher Kindern gefordert

Mehr als 70 Organisationen pochen in einem offenen Brief an die Bundesregierung auf ein Gesetz zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen. Gefordert wird ein Verbot von medizinisch nicht notwendigen Operationen. Österreich sei hier nach wie vor säumig, wird in dem Brief, der anlässlich des internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Trans- und Inter*-Feindlichkeit am heutigen Mittwoch veröffentlicht wurde, kritisiert.

red/Agenturen

„Bis heute erleben intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche medizinische Eingriffe, die weder selbstbestimmt noch notwendig sind. Das führt oft zu großem Leid, Traumatisierungen und körperlichen Beschwerden", ärgerte sich Luan Pertl, Vorstandsmitglied des Vereins Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ), laut einer Aussendung.

Unterzeichnet ist der offene Brief an Zadic, Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) unter anderem von drei Selbstvertretungsgruppen: dem Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ), dem Verein Klinefelter* Inter und MRKH Austria (Mayer Rokitansky Küster Hauser Syndrom Frauen* Selbsthilfegruppe Österreich). Auch die Plattform Intersex Österreich, die HOSI Linz, Salzburg und Wien, der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern und die Österreichische Hochschüler*innenschaft (ÖH) sowie die Kinder- und Jugendanwaltschaften haben unterschrieben. Außerdem wurde eine Petition gestartet, die bisher von mehreren Hundert Menschen unterzeichnet wurde.

Verbot von „Konversionstherapien“ lässt weiter auf sich warten

Bereits verboten sind sogenannte „Konversionstherapien“, also Behandlungen mit dem Ziel, queere Menschen „umzupolen“, unter anderem in Kanada, Frankreich, Israel und Deutschland. Bereits 2021 forderte der Nationalrat die Bundesregierung per Entschließungsantrag auf, intergeschlechtliche Kinder vor nicht notwendigen medizinischen Eingriffen zu schützen. Laut der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) aus dem April befindet sich ein entsprechender Gesetzesentwurf seit Herbst 2022 in politischer Abstimmung und liegt beim Koalitionspartner ÖVP. Warum diese darauf bisher nicht reagiert habe, erschließt sich die Grüne LGBTIQ-Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic nicht. „Man kann hier auch nicht von Therapien sprechen, das sind schwindlige Zwangsbehandlungen oder Exorzismen“, so die grüne LGBTIQ- und Menschenrechtssprecherin.

Bei diesem Gesetz gehe es nicht um „LGBTIQ-Lifestyle“, sondern um den Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. „Wir wissen, dass sich viele Jugendliche, die nicht heterosexuell sind, schwer tun Anschluss zu finden. Wenn Ihnen die Kirche oder die Eltern sagen, das sei nicht gesund, kann das traumatisieren“. So sei etwa die Suizidrate bei Jugendlichen der LGBTIQ-Community sechs bis siebenmal höher, als unter allen Jugendlichen. „Das ist nicht nur mittelalterlich, sondern aus gesundheitspolitischer Sicht bedenklich. Eigentlich hätten wir ja eine Jugendstaatssekretärin, die sich für die Gesundheit der Jugendlichen einsetzen sollte“, richtete Ernst-Dziedzic Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) aus.

„Gibt einen Entwurf, darüber wird jetzt diskutiert“

„Aus Sicht des Gesundheitsministeriums sowie des Justizministeriums sollen mit dem Konversionstherapie-Schutz-Gesetz jegliche Arten von „Pseudo-Therapien“ oder Maßnahmen verboten werden, die auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung, der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität oder des Geschlechtsausdrucks gerichtet sind“, heißt es auf APA-Anfrage von den Ministerien. Auch Anbahnungen sollen durch ein Werbe- und Provisionsverbot verhindert werden. Aus dem ÖVP-Klub heißt es dazu gegenüber der APA: „Es gibt einen Entwurf, darüber wird jetzt diskutiert“. Mehr könne man dazu nicht sagen, außer dass die Gespräche jetzt „anlaufen, noch nicht einmal angelaufen sind“.

Im Februar berichtete die „Kleine Zeitung“ von solchen „Therapien“ im Hagiotherapie-Zentrum Graz. Dort sei einer jungen Frau gesagt worden, dass es sich bei ihrer Homosexualität um eine „geistige Störung“ und „Krankheit“ handle, die therapiert werden müsse. Zur „Heilung“ sei der Journalistin, die sich als Patientin ausgab empfohlen worden, sich an die Loretto-Bewegung zu wenden.

Bei der Loretto-Bewegung handle es sich um eine Jugendbewegung aus dem „konservativen Bereich“ der katholischen Kirche, sagte der Theologe Frank Hinkelmann zur APA. Bekannt sei sie vor allem für ihre Pfingstjugendtreffen, bei denen 5.000-7.000 Jugendliche im Salzburger Dom die Messe feiern. Die Bewegung mit Sitz in Salzburg wolle „ganz bewusst junge Leute in die katholische Kirche rückführen“, so Hinkelmann.

Kritik daran, dass das Verbot von Konversionstherapien noch nicht umgesetzt wurde, kam im Februar von der SPÖ: „Dass Menschen noch immer Konversionstherapien ausgesetzt werden, weil ÖVP und Grüne sich aus politischem Kalkül nicht einigen können, ist ein wahres Armutszeugnis“, sagte deren Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner in einer Aussendung im Februar. Er habe deshalb heute eine parlamentarische Petition gestartet, die von der Bundesregierung fordert, das entsprechende Gesetz umzusetzen. Internationale Studien würden schon lange zeigen, dass Menschen, die eine Konversionstherapie durchmachen mussten, unter hohen Suizidraten, langfristigen psychischen Problemen und vielen anderen gefährlichen Folgen zu leiden haben. „Solche Praktiken haben weder in Graz noch irgendwo anders in Österreich etwas verloren“, so Lindner.

 

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