Menschen mit Behinderung

Interessensvertreter sehen Bund und Länder gefordert

Nach der im August erfolgten Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sehen NGOs sowie die Volksanwaltschaft Bund, Länder und Gemeinden gefordert, Versäumnisse aufzuholen. Zwar liegen die Handlungsempfehlungen des UN-Fachausschusses anders als erwartet erst in einigen Tagen vor, die Mängel bei der Umsetzung der Konvention sei aber bereits klar, so der Tenor auf einer Pressekonferenz am Montag in Wien.

red/Agenturen

Bei der am 22. und 23. August 2023 stattgefundenen Staatenprüfung in Genf sei offensichtlich geworden, dass Österreich bei der Umsetzung der letzten Handlungsempfehlungen aus dem Jahr 2013 säumig ist. Seitens des UN-Fachausschusses sei bei dem Hearing angemerkt worden, es mache den Anschein, dass sich die Bundesländer nicht für die Umsetzung der UN-Konvention verantwortlich sehen - sondern den Bund. Der Berichterstatter des Ausschusses, Markus Schefer, habe u.a. eine Empfehlung in Aussicht gestellt, welche die Bundesländer dazu aufruft, Unterstützungsstrukturen aufzubauen, damit es zu weniger Erwachsenenvertretungen kommt, wie Volksanwalt Bernhard Achitz (SPÖ) berichtete.

Auch sei im Zuge der Prüfung klar geworden, dass der Gewaltschutz in der Behindertenhilfe verbesserungswürdig sei, sagte Achitz. So hätten zahlreiche Einrichtungen nach wie vor keine Gewaltschutzkonzepte, keine Krisenkonzepte und keine verpflichtenden Deeskalationstrainings für ihr Personal. Derartige Konzepte müssen flächendeckend verpflichtend vorgesehen und auch überprüft werden. Auch verwies Achitz auf das Problem der Entlohnung von Menschen mit Behinderungen in Behinderten-Werkstätten: Die Betroffenen bekommen in den allermeisten Fällen nur ein Taschengeld. Dies habe zur Folge, dass es für sie keine eigene Pensions- und Sozialversicherung gibt, sondern nur abgeleitete Ansprüche über deren Angehörige (Mitversicherung) oder über die Mindestsicherung.

„Bundesländer machen was sie wollen“

Behindertenanwältin Christine Steger berichtete, die Staatenprüfung habe „in aller Deutlichkeit gezeigt“, dass noch nicht genug Anstrengungen unternommen worden seien, um die vor 15 Jahren (2008) vereinbarten Ziele der UN-Konvention zu erreichen - nämlich das gleichberechtigte Leben von Menschen mit Behinderungen. Es brauche nun „entschlossenes Handeln“ von allen Verantwortlichen - Bund, Bundesländer und den Kommunen.

Darauf wies auch Martin Ladstätter vom Präsidium des Österreichischen Behindertenrats hin: Die Bundesländer würden glauben, die Konvention nicht umsetzen zu müssen, sagte er. „Die Bundesländer machen in Österreich, was sie wollen. Das geht so nicht“, sagte er. Als Beispiel brachte er das Erwachsenenschutzgesetz: Zwar sei es begrüßenswert, dass der Bund das Erwachsenenschutzgesetz beschlossen hat. Ohne Unterstützungsmaßnahme der Länder entfalte dieses seine Wirkung aber nur unzureichend. Auch hätten es Bund und Bundesländer verabsäumt, im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen (FAG) zweckgebundene Gelder zur Umsetzung der Konvention zu vereinbaren.

Tobias Buchner vom Monitoringausschuss verwies auf vom Fachausschuss festgestellten Mängel im Bildungssystem: Demnach sei es seit 2017 zu Verschlechterungen gekommen. Es sei auch die Frage aufgeworfen worden, warum Kinder mit Behinderungen in der Regelschule nicht jene Unterstützung erhalten, die sie benötigen. „Das bisherige Parallelsystem - aus Sonderschulen auf der einen Seite und Regelschulen auf der anderen Seite - kann so nicht mehr weitergehen. Die Ressourcen müssen in den Ausbau eines inklusiven Systems gehen und nicht weiter in Sonderschulen fließen“, so seine Forderung.

Inklusive Bildungsmöglichkeiten „Mangelware“

Der UN-Fachausschuss habe auch Unverständnis darüber geäußert, dass Österreich bis jetzt keinen umfassenden Plan für De-Institutionalisierung gefasst habe, berichtete Bernadette Feuerstein von der NGO „Selbstbestimmt Leben Österreich“. Wichtigste diesbezügliche Maßnahme sei eine angemessene Finanzierung bzw. Umschichtung der finanziellen Mittel: Es dürfen keine weiteren Investitionen in bestehende oder neue Einrichtungen getätigt werden, sondern es müssten gemeindenahe, individuelle Unterstützungssysteme ausgebaut werden. Als einen der wichtigsten Schritte bezeichnete Feuerstein dabei den Ausbau der Persönlichen Assistenz.

Auf die besondere Situation von Frauen mit Behinderung wies Daniele Rammel vom Monitoringausschuss hin: Diese seien von Gewalt betroffen, auch hier müssten Maßnahmen gesetzt werden.

Auch die Caritas sah am Montag durch die Prüfung bestätigt, dass die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich „Rückschritte, Versäumnisse und nach wie vor viele Lücken“ aufweist. „Menschen mit Behinderungen machen ungefähr 20 Prozent der Weltbevölkerung aus. Diese Menschen werden nach wie vor vielfach bevormundet, missbraucht, diskriminiert und rechtlich benachteiligt. Durch die Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2008 hat sich Österreich verpflichtet, sich für die Umsetzung dieser Menschenrechte einzusetzen. Wie kann es also sein, dass 15 Jahre später immer noch keine zufriedenstellenden Resultate erzielt worden sind?“, fragte Caritas-Präsident Michael Landau in einer Aussendung. Er verwies u.a. darauf, dass es nach wie vor „keine flächendeckende Ausrollung persönlicher Assistenz“ gibt und dass inklusive Bildungsmöglichkeiten „Mangelware“ seien.

 

Rollstuhl Grafik
Bei der Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen schnitt Österreich schlecht ab.
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