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Konferenz GVO-freies Europa kämpft für Wahlfreiheit bei Gentechnik

Die von der Fraktion der Grünen/EFA im EU-Parlament veranstaltete 10. Konferenz „GVO-freies Europa“ (GMO-Free Europe) versammelte am Donnerstag Kritikerinnen und Kritiker der neuen EU-Vorschläge zur Deregulierung der Gentechnik in Brüssel. Vertreterinnen und Vertreter der Grünen betonten im Vorfeld, die Pläne der EU-Kommission würden sowohl Konsumentinnen und Konsumenten als auch Bäuerinnen und Bauern die Wahlfreiheit auf ihrem Teller bzw. Feld nehmen.

red/Agenturen

„Der aktuelle Vorschlag der EU zur neuen Gentechnik würde zu einem Dammbruch führen“, betonte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Donnerstag in Brüssel. Er würde das erprobte Vorsorgeprinzip aushöhlen und die Vernunft im Umgang mit gentechnisch veränderten Mechanismen über Bord werfen. Gewessler betonte, nicht generell gegen Gentechnik zu sein: Diese könne einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten, beispielsweise in der Medizin.

Die EU-Kommission hatte im Juli neue Pläne für einen deutlich lockeren Umgang mit der Neuen Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft vorgestellt. Neue Mutationsverfahren wie die Genschere Crispr/Cas sollen demnach künftig einfacher zum Einsatz kommen und damit bearbeitete Pflanzen nicht mehr als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. Ziel der Deregulierung ist unter anderem, gegen Wassermangel oder Schädlinge widerstandsfähigere Gewächse zu züchten. EU-Staaten und Europaparlament müssen die Vorschläge diskutieren und einen Kompromiss ausarbeiten.

„Der Vorschlag nimmt uns die Wahlfreiheit, was auf unseren Feldern wächst und was auf unseren Tellern landet“, so die Umweltministerin. Die Kennzeichnung werde de facto verunmöglicht: „Im Supermarkt können Kundinnen und Kunden nicht mehr nachvollziehen, wo gentechnisch veränderte Rohstoffe drin sind.“ Die österreichische Bundesregierung wolle einen vorsorgeorientierten Umgang mit diesen neuen Technologien, und lehne diesen Vorschlag klar ab. Laut Gewessler zeigten sich bei Diskussionen im Umweltrat auch weitere EU-Länder kritisch. Diese wolle sie aber nicht nennen.

„Völliger Konsens“ unter EU-Mitgliedsstaaten

Laut dem derzeitigen Ratsvorsitzenden und spanischen Landwirtschaftsminister Luis Planas herrscht jedenfalls unter den Landwirtschaftsministerinnen und -ministern Einigkeit: Diese hätten bei ihrem informellen Treffen Anfang dieser Woche beschlossen, die Deregulierung noch bis Ende des Jahres zu verabschieden. Auf dem Treffen in Cordoba brachte EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski zum Ausdruck, dass es unter den 27 EU-Mitgliedsstaaten „völligen Konsens“ über die Notwendigkeit gebe, den Verbrauchern „maximale Information und Sicherheit“ in Bezug auf diese Techniken zu bieten.

Die grüne EU-Parlamentarierin Sarah Wiener betonte, die Deregulierung von Gentechnik treibe Bäuerinnen und Bauern in die Abhängigkeit. Es sei „fast nicht möglich, nicht gentechnisch verändertes Saatgut zu erhalten“. Das Argument vieler Befürworter, gentechnisch veränderte Pflanzen erforderten weniger Pestizideinsatz, lässt sie nicht gelten. Das zeige sich in den USA oder Brasilien, die schon lange auf gentechnisch verändertes Saatgut setzen würden. Sie als Köchin bedaure, was in den letzten Jahren an Geschmack und Sorten verloren gegangen sei: „Laut UNO sind 90 Prozent der Saatgutsorten verschwunden. Ich frage mich, brauchen wir Gentechnik? Ich sehe das nicht.“

„Die neue Gentechnik ist für manche mit Wunderglauben verbunden. Aber ich mach nicht einfach einen Schnitt in eine Pflanze und sie ist dürreresistent. Die Gentechnik ist keine Antwort auf die Auswirkungen der Klimakrise“, so der agrarpolitische Sprecher der europäischen Grünen Martin Häusling. Er habe sich eine Liste mit neuen Sorten besorgt, die mit der neuen Gentechnik auf den Markt kommen würden. Darunter seien „eine Tomate, die den Blutdruck senken wird oder ein Senf, der nicht mehr so sauer schmeckt. Da denk ich mir, da hat die Welt nicht darauf gewartet.“

„Die politischen Entscheidungstragenden müssen den Interessen der Bäuerinnen und Bauern, den Rechten der Konsumentinnen und Konsumenten und dem Schutz der Umwelt den Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen der Agrarindustrie geben! Die Zukunft liegt in einer vielfältigen, agrarökologischen Landwirtschaft und selbstbestimmter Ernährung, die Hand in Hand mit echtem Klima- und Umweltschutz geht“, so Brigitte Reisenberger, Global-2000-Gentechniksprecherin, in einer Aussendung zur Konferenz.