Ärztekammer forderte mehr Prävention statt „nur Reparatur“

Unser Gesundheitssystem brauche einen Paradigmenwechsel, der Schlüssel zur Zukunft liege in der Prävention statt „nur Reparatur". Das forderte die Ärztekammer in einer Pressekonferenz am Mittwoch in Wien. Bei der Prävention gibt es in Österreich viel ungenutztes Potenzial. „So wie bisher können wir nicht weitermachen“, sagte Harald Schlögel, geschäftsführender Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer.

red/Agenturen

„Nur ein geringer Teil der Gesundheitsausgaben - zwischen zwei und drei Prozent - fließt in echte Präventionsmaßnahmen und diese Quote stagniert seit Jahren. Auf der anderen Seite kosten uns die Folgeschäden dann erhebliche Summen“, erläuterte der Experte. Sie forderten daher rasch einen nationalen Schulterschluss für den Ausbau von Präventionsmaßnahmen.“

Die beste Möglichkeit, Krebs zu bekämpfen besteht darin, ihn erst gar nicht entstehen zu lassen“, sagte Paul Sevelda, Gynäkologe und Präsident der Österreichischen Krebshilfe. Durch eine gesunde Lebensweise und die Einhaltung der gesicherten Früherkennungsmethoden könnten 30 bis 50 Prozent aller Krebserkrankungen vermieden werden. Als wichtigste Maßnahmen dazu zählen regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung und damit Vermeidung von Fettleibigkeit, kein Nikotin, kein oder nur mäßiger Alkohol und Durchführung der präventiven Impfungen wie Hepatitis A und B, sowie die HPV-Impfung.

Bei der Adipositas-Behandlung komme es derzeit beispielsweise zu bizarren Situationen. „Die Kasse zahlt keine Medikamente zur Behandlung von Adipositas, dafür aber ab einem gewissen BMI dann einen operativen Eingriff. In dieser Logik müsste der Arzt also seinem adipösen Patienten raten, noch ordentlich zuzunehmen, damit er zu einer - wohlgemerkt maximalinvasiven - Behandlung seiner Krankheit kommt. Dass es noch sinnvoller wäre, schon präventiv anzusetzen, bevor es in den adipösen Bereich geht, liegt auf der Hand“, sagte Schlögel. Und es gebe eine Vielzahl solcher Beispiele in unserem aktuellen System.

Bereits im Kindergarten müsse die Gesundheitskompetenz Thema sein. Der Nichtraucherschutz in der Gastronomie sei ein erster wichtiger Schritt gewesen, dem nun weitere folgen müssten. „In diesen Bereichen ist auch die Politik gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen wie zum Beispiel die tägliche Turnstunde endlich auch umzusetzen“, appellierte Sevelda. Mit der kostenlosen HPV Impfung vom neunten bis 21. Lebensjahr sei ebenfalls ein wichtiger Schritt gelungen, hier gelte es nun, für eine breite Durchimpfungsrate zu sorgen - durch umfassende und langfristige Information ähnlich dem Vorbild der Zeckenimpfung.

Gesundheitssystem brauche Paradigmenwechsel

In der Früherkennung von Brustkrebs stellt die regelmäßige Mammografie alle zwei Jahre seit heuer neu für alle Frauen vom 45. bis zum 74. Geburtstag eine wichtige Maßnahme dar. Leider sei auch hier die Teilnahmerate von etwa 50 Prozent viel zu niedrig, um eine deutliche Senkung der Mortalität zu erreichen. „Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass im verbesserten Brustkrebsfrüherkennungsprogramm alle zwei Jahre ein Beratungsgespräch über die Bedeutung der Brustkrebsfrüherkennung auch von den Kassen den Ärztinnen und Ärzten refundiert wird“, sagte Sevelda.

Dickdarmkrebs zählt zu den Krebsarten, bei denen die große Mehrzahl der Todesfälle durch Früherkennung und Vorsorge vermeidbar wären. Ein Dickdarmkrebs-Früherkennungsprogramm sei in den evidenzbasierten Durchführungsempfehlungen vom nationalen Screening Komitee bereits abgeschlossen und sehe ab dem 45. Lebensjahr entweder alle zwei Jahre eine Blutstuhluntersuchung durch den FIT-Test vor oder die Koloskopie alle zehn Jahre bei unauffälligem Befund, erklärte Sevelda. „Der politische Wille ist vorhanden, auch dieses organisierte Früherkennungsprogramm umzusetzen, die Detailverhandlungen mit den Kassen und der Ärztekammer sollten absehbar beginnen.“

Die Wissenschaft könne sehr klar zeigen, mit welchen Maßnahmen die Krebsentstehung und auch die bestmögliche Therapie erzielt werden kann, fasste Sevelda zusammen. „Es liegt nun an der politischen Umsetzung diese Maßnahmen in die Realität zu bringen und umfassend auch bei der Bevölkerung ein deutlich höheres Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil zu schaffen“, sagte der Experte. In Österreich sei die Lebenserwartung im EU-Durchschnitt, jedoch die Anzahl der gesunden Lebensjahre am unteren Ende der Statistik.

Gesundheitsorganisationen wie die WHO und internationale Gesundheitsexperten fordern schon lange die Verstärkung der Prävention, also die Vermeidung bzw. Milderung von Krankheiten gegenüber der kurativen Medizin, also der Behandlung von bereits bestehenden pathologischen Zuständen. Das betont auch der Ernährungswissenschaftler Kurt Widhalm. „Dem Lebensstil kommt hier eine überragende Bedeutung zu, laut neuesten epidemiologischen Studien kann ein gesunder Lebensstil bis zu 20 gesunde Jahre 'schenken'“, sagte er. Widhalm verwies auf die OECD-Mitgliedsländer, wo bereits etwa acht Prozent des Gesundheitsbudgets für die Behandlung von ernährungsabhängigen Erkrankungen aufgewendet werden. "Dem gegenüber steht die Kostenberechnung, dass ein Euro, der in die Prävention investiert wird, sich mit einem 'return' von sechs Euro rentiert“, sagte Widhalm.