praevenire Gesundheitstage

Vorsorge für Heranwachsende soll massiv ausgebaut werden

In Österreich sollten sowohl die Präventionsmaßnahmen für physische und psychische Gesundheit für Kinder und Jugendliche massiv ausgebaut werden. Viele Heranwachsende dürften durch Covid-19 für das weitere Leben schwer belastet worden sein. Dies erklärten am Montag Experten bei den Praevenire Gesundheitstagen in Seitenstetten in Niederösterreich.

red/Agenturen

„In der Prävention brauchen wir für Kinder und Jugendliche ein langfristiges Finanzierungskonzept. Das darf nicht mehr zwischen Gesundheits- und Sozialbereich hin- und hergeschoben werden“, erklärte Erwin Rebhandl, oberösterreichischer Allgemeinmediziner und Co-Gründer einer der ersten Primärversorgungseinheiten des Bundeslandes.

Die Wiener Kinder- und Jugendpsychiaterin Katrin Skala verwies vehement auf die Folgen von Covid-19 auf die Psyche der Heranwachsenden. Jugendliche hätten laut zahlreichen Studien mit weitgehend übereinstimmenden Zahlen etwa zur Hälfte an depressiven Symptomen gelitten, nur zu einem etwas geringeren Anteil an Angstzuständen, ebenfalls zu einem hohen Anteil an Essstörungen. Die Expertin nannte dazu aus einer Untersuchung mit Lehrlingen (März 2021) folgende Fakten: 48 Prozent wiesen Zeichen von Depressionen auf, 35 Prozent litten unter Ängsten, 27 Prozent an Schlaf- und 51 Prozent an Essstörungen.

Insgesamt stieg beispielsweise in Österreich der Anteil der 14- bis 20-Jährigen mit depressiven Symptomen zwischen Februar und November 2021 von 55 Prozent auf 58 Prozent. Die Rate der Angststörungen (47 Prozent bzw. 46 Prozent) blieb etwa gleich. An Schlafstörungen litten 23 Prozent bzw. 25 Prozent. Suizidale Gedanken hatten im Herbst 2021 gar 44 Prozent der Jugendlichen.

Massiver Anstieg an Suizidversuchen

Viele Menschen würden derzeit die Covid-19-Pandemie als beendet, überstanden oder zumindest abflauend betrachten, für die dadurch geschädigten Kinder und Jugendlichen sei das aber nicht der Fall: „Covid-19 ebbt vielleicht für uns aus. Für die Kinder und Jugendlichen, die derzeit Kranken ebbt es nicht aus. Wir sehen sehr viele Kinder und Jugendliche, die jetzt in einer sehr viel schlechteren psychischen Situation sind. Da ist sehr viel passiert, was wir noch in Jahrzehnten sehen werden“, so Skala.

Den während Covid-19 psychisch gesund Gebliebenen gehe es jetzt mit dem Auslaufen der Anti-Sars-CoV-2-Maßnahmen wieder gut, den Beeinträchtigten aber bei weitem nicht, erklärte die Kinder- und Jugendpsychiaterin. Bei ihnen hätten sich die Probleme während der Pandemiejahre eher noch verschärft. Solche traumatisierenden Erfahrungen könnten lebenslang negative Konsequenzen haben. Notwendig sei ein massiver Ausbau niederschwelliger Hilfs- und Therapieangebote. Am meisten benachteiligt seien hier die an sich schon sozial Schwächeren, weil in Österreich viele Therapien noch immer nicht auf Kassenkosten in ausreichendem Maß vorhanden seien.

Nur ein Schlaglicht, so die Expertin: „Wir sehen einen massiven Anstieg an Suizidversuchen bei Kindern. Vor der Pandemie haben wir das faktisch nie bei unter 15-Jährigen gesehen. Jetzt haben wir Zwölf- und 13-Jährige.“ Eine andere Beobachtung, welche Eva Höltl, Arbeitsmedizinerin und Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Bank, gemacht hat: „Wir haben (vor Covid-19; Anm.) nie Lehrlinge 'verloren'. Jetzt sehen wir, wie Lehrlinge plötzlich ihre Ausbildung nicht abschließen.“

 

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