Darm-Mikrobiom kann Ansprechen auf Krebs-Immuntherapie vorhersagen

Ein neues Verfahren identifiziert wesentlich genauer als bisherige Labortests jene Patient:innen mit Tumorerkrankungen, die auf die neuesten Immuntherapien (Immun-Checkpoint-Blockade) ansprechen werden. Ausschlaggebender Faktor ist offenbar das Darm-Mikrobiom. Das Testverfahren eines Wiener Biotech-Unternehmens wurde jetzt von österreichischen Onkologen geprüft und die Aussagekraft bestätigt.

red/Agenturen

Die neuen Krebs-Immuntherapien mit monoklonalen Antikörpern (Checkpoint-Inhibitoren) haben die Behandlung von Tumorerkrankungen in vielen Fällen deutlich wirksamer gemacht. Die Biotech-Medikamente sollen die körpereigene Immunabwehr wieder gegen die bösartigen Zellen „scharf“ machen. Dabei richten sich die monoklonalen Antikörper gegen Strukturen wie PD-L1, PD-1 oder CTLA4, welche Tumoren quasi eine „Tarnkappe“ gegenüber der körpereigenen Immunabwehr vermitteln. Diese Strategie hat beispielsweise bei nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen die längerfristigen Therapie-Erfolgsraten stark erhöht.

Das Problem: Bisher gab es nur sehr beschränkte Mittel, um unter den Patient:innen jene zu identifizieren, welche zu einem hohen Prozentsatz auf diese Behandlung mit erheblichem Nebenwirkungspotenzial und Kostenaufwand auch wirklich ansprechen. Bei den Darmbakterien könnte eine Lösung liegen. „Das Darm-Mikrobiom ist mittlerweile ein Hauptakteur für den klinischen Erfolg von Immun-Checkpoint-Inhibitoren geworden. Bisher wurde aber noch keine Mikrobiom-Analysemethode für die Therapie-Entscheidungsfindung entsprechend validiert“, schrieb jetzt ein onkologisch tätiges Autorenteam aus Pneumologen, Urologen und Dermatologen der Klinik Floridsdorf (Wiener Gesundheitsverbund) sowie der drei österreichischen MedUnis in Wien, Graz und Innsbruck in der Fachzeitschrift „Cancer“.

Innovation von Wiener Biotech-Unternehmen

Das Autorenteam um Arschang Valipour, Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf und Leiter des Karl-Landsteiner-Instituts für Lungenforschung und Pneumologische Onkologie) hat die Prognose-Genauigkeit eines vom Wiener Biotech-Unternehmen „Biome Diagnostics GmbH“ entwickelten Darm-Mikrobiom-Testverfahrens („BiomeOne“) für das Ansprechen von Patient:innen auf eine Krebs-Immuntherapie bestimmt. Bei der Technik wird eine Stuhlprobe an das Unternehmen geschickt, das mittels Erbgut-Sequenzierung dann die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms bestimmt und die Ergebnisse rückmeldet. Diese Abläufe dauern rund zwei Wochen.

Für die Studie wurden Stuhlproben von 63 Patient:innen mit fortgeschrittenen Karzinomerkrankungen (Stadium III oder IV von Melanomen, nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen oder Nierenzellkarzinomen) verwendet. Je nachdem, ob die Kranken auf die Checkpoint-Inhibitor-Therapie ansprachen oder nicht, zeigte sich ein unterschiedliches Spektrum an Darmbakterien: Bei Behandelten mit einer objektiv dokumentierten Wirkung der Behandlung wurden vermehrt sogenannte Oscillospira-, Clostridia-, Lachnospiraceae und Prevotella copri-Keime festgestellt. Umgekehrt zeigten sich weniger Keime vom Typ der Sutterella-, Lactobacillales- und Streptococcus-Bakterienfamilien.

Stuhlprobe reicht - Aussagekraft bestätigt

„Die Klassifizierung von Patientenproben in dieser Validierungsgruppe nach Ansprechen oder Nichtansprechen ergab eine Sensitivität (Vorhersage eines positiven Behandlungseffektes; Anm.) von 81 Prozent und eine Spezifität (wahrscheinlich kein Effekt bei negativem Ergebnis; Anm.) von 50 Prozent“, schrieben die Wissenschafter.

Bei 38 Erkrankten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, die häufigste Lungenkrebserkrankung weltweit, brachte es der BiomeOne-Test auf eine Sensitivität (Vorhersage des Ansprechens auf eine Immuntherapie) von 78,6 Prozent. Das war zahlenmäßig mehr als die derzeit routinemäßig verwendete Bestimmung der PD-L1-Oberflächenproteine aussagte (67,9 Prozent Sensitivität).

Von Anfang an gab es bei der Etablierung der modernen Immuntherapien zahlreiche Versuche, die am besten geeigneten Patient:innen zu identifizieren. Die Häufigkeit von PD-L1-Oberflächenproteinen auf Gewebeproben wird routinemäßig verwendet. In verschiedenen Studien zeigte sich eine Abhängigkeit der Wirksamkeit von diesem Faktor, aber nur teilweise und längst nicht mit sehr hoher Aussagekraft. Möglicherweise lassen sich die verschiedenen Tests aber auch kombinieren, um eine höhere Vorhersagegenauigkeit zu erhalten.

„Die Validierung (des Tests; Anm.) bei zusätzlichen Anwendungsgebieten und das Erweitern auf andere Interventionen auf der Basis von Mikrobiom-Analysen ist jetzt entscheidend, um solche Diagnostika in die Routineanwendung zu bringen“, schrieben die Wissenschafter als Fazit ihrer Arbeit.