Studie offenbart erheblichen zusätzlichen Ärztebedarf in Vorarlberg

Bis 2031 werden in Vorarlberg in den Spitälern zwölf Prozent, im Kassenbereich 5,9 Prozent mehr Ärzt:innen gebraucht. Vor dem Hintergrund einer wachsenden, immer älter werdenden Bevölkerung, einer bereits rollenden Pensionswelle und einer höher werdenden Teilzeitquote sind das insgesamt 135 Ärzt:innen  mehr. Das ist ein Ergebnis der ersten gemeinsamen Ärztebedarfsstudie, die Land Vorarlberg, ÖGK und Ärztekammer in Auftrag gaben. Auch an Lösungen will man nun gemeinsam arbeiten.

red/Agenturen

Vorarlberg liegt im Bundesvergleich derzeit im Mittelfeld, was die fachärztliche Versorgung in den Krankenanstalten betrifft, bei den Turnusärzten sei man darunter, im niedergelassenen Bereich darüber. Es gibt jedoch Handlungsbedarf: 2030 werden 30 Prozent der derzeit aktiven Ärzt:innen das Pensionsalter erreicht haben. Das betrifft 24 Prozent der Spitalärzte sowie im Kassenbereich 47 Prozent der Fachärzte und 34 Prozent der Allgemeinmediziner. Diese Stellen müssen nachbesetzt werden, viele davon mit Blick auf die Ärzt:innen in Ausbildung mit jungen Frauen, weshalb eine höhere Teilzeitquote bzw. Job-Sharing zu erwarten sein werde. Zudem erwächst aus der demografischen Entwicklung - die Vorarlberger werden mehr und älter - weiterer Bedarf. Wird nicht gegengesteuert, fehlen 71 Ärzt:innen in Spitälern, 27 Hausärzte und 37 niedergelassene Fachärzte. Besonders groß fällt der Mangel in der Inneren Medizin, in der Allgemeinmedizin und der Anästhesie aus.

Die Bedarfsstudie, basierend auf Daten aller Partner aus den vergangenen zehn Jahren, sei für Österreich einzigartig, so die Studienautoren Hermann Schmied und Gunther Maier von der Gesundheit Österreich GmbH. Neben einer Erhebung des Ist-Stands blickte man mittels Befragung von Jungärzten und einer Onlinebefragung auch hinter die Daten, um Motive und Erwartungen zu erfahren. Aus einem durchschnittlichen Ausbildungsjahr mit 76 Mediziner:innen verlassen 48,5 Prozent Vorarlberg. Wer nicht bleiben will, geht aus familiären Gründen (42 Prozent), sieht bessere Arbeitsbedingungen (37 Prozent), Verdienstmöglichkeiten (35 Prozent) oder Karrieremöglichkeiten (32 Prozent) anderswo. Gegen eine Anstellung in einem Vorarlberger Krankenhaus sprach für 86 Prozent die hohe Arbeitsbelastung, auch eine mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie zu viele Nachtdienste und zu wenig Zeit für Patient:innen wurden genannt. Bei der Attraktivität des Arbeitsplatzes wurden eine hohe Wertschätzung durch den Arbeitgeber, ein gutes Arbeitsumfeld, funktionierende Work-Life-Balance, kollegialer Austausch und geringe Administrationsbelastungen höher gewertet als eine hohe Bezahlung, hohes Ansehen oder Karrieremöglichkeiten.

Fast 56 Prozent der Jungärzte würden nach ihrer Ausbildung am liebsten in Vorarlberg bleiben, 30 Prozent sind unentschlossen. Vorarlbergs Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) sah hier großes Potenzial, um zusätzliche Ärzt:innen für das Land zu gewinnen. Die Abwanderung nach der Ausbildung soll reduziert. Gemeinsam werde man über den Sommer Maßnahmen erarbeiten. „Wir sind im Umbruch“, hielt sie fest. Die Herausforderung der nächsten Jahre werde nur mit mehr Kooperation zwischen Spital und niedergelassenem Bereich stemmbar sein. Ansetzen wolle man beim Honorar, bei Lebens- und Arbeitsbedingungen, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Rotationsmodelle und Lehrpraxen sowie einem attraktiveren Kassenbereich. Aber auch die Patient:innen werden sich auf Veränderungen einstellen müssen, denn weitere Ansätze betreffen die Patientenlenkung und die Prävention, zudem wird es weitere Schwerpunktbildungen geben. Man sei auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. „Die Ressourcen sind begrenzt, und sie werden es auch bleiben“, betonte Rüscher.

Man brauche nicht mehr Studierende, sondern müsse vor allem fertige Allgemeinmediziner und Fachärzte gewinnen, so Ärztekammerpräsident Burkhard Walla. Derzeit herrsche viel Frust in den Spitälern, viele Kollegen überlegten einen Wechsel und Ärzt:innen seien europaweit gefragt, erinnerte er. In der Ausbildung in den Spitälern habe man bereits mit Qualitätsverbesserungen begonnen, das müsse fortgesetzt werden. Laut ÖGK-Landesstellenausschussvorsitzendem Manfred Brunner läuft in Vorarlberg bereits seit zehn Jahren eine Pensionierungswelle, „wir sind mittendrin“. Viele Maßnahmen hätten schon Wirkung gezeigt, etwa gebe es attraktivere Honorare, Unterstützung bei der Praxisgründung, mehr Teilzeitverträge. Er sehe durchaus die Chance, den Generationenwechsel, der noch etwa bis 2027 andauern wird, bewältigen zu können, denn schon bisher habe man die nötigen Nachbesetzungen geschafft. Dennoch will Brunner sich auftuende Besetzungslücken künftig rascher schließen, damit die verbliebenen Ärzt:innen nicht überlastet werden. Zudem sollen die Wahlärzte stärker eingebunden werden, ein Drittel würde laut Studien grundsätzlich Bereitschaften übernehmen.

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2030 werden 30 Prozent der derzeit aktiven Ärzte und Ärztinnen das Pensionsalter erreicht haben. Das betrifft 24 Prozent der Spitalärzte sowie im Kassenbereich 47 Prozent der Fachärzte und 34 Prozent der Allgemeinmediziner.
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